Wie haben Sie’s mit der Agilität, Madame?

Agilität ist eines DER Modewörter der jüngsten Wirtschafts- und Digitalisierungsgeschichte und wird inflationär in diversen Zusammenhängen verwendet. Beinahe alles muss heutzutage agil sein. Und im Netz finden sich Stimmen von Propheten, die zu wissen glauben, dass ohne Agilität jedes Business dem Tod geweiht sei. Zeit also für eine kleine ‚Charakteranalyse’ von Madame Agility.

Eine knappe Internetrecherche zeigt, dass hinter Agilität offensichtlich mehr steckt als nur ein Schlagwort. Die Bedeutung des Begriffs scheint vielschichtiger zu sein, als er normalerweise in den Medien so rasch eingeworfen wird. Denn Agilität ist wie das feine Spinnennetz, das verästelt, hauchdünn und ganz harmonisch im Wind hin- und herwiegt und doch so stark jedem Wetter trotzt.  Von Frank Weber lernen wir, dass Agilität nur funktioniert, wenn agile Instrumente akzeptiert und die Prozesse in der Firma agil gelebt werden. Es braucht also gemäss Weber im Unternehmen ein „Verständnis für die Wirkweise agiler Instrumente“ – denn nur so kann die Firma tatsächlich agil werden. Weber führt weiter aus: „Agilität ist eine Grundhaltung. Agilität ist die Fähigkeit, Stabilität und Flexibilität in die richtige Balance zu bringen.“ 

So zeigt uns Weber auf, dass Agilität unweigerlich mit der Firmenkultur und somit mit jedem einzelnen Mitarbeiter, jeder einzelnen Mitarbeiterin verwoben ist. Agilität entsteht demnach in den Organisationen, die den Mut und das nötige Mindset haben, ihr Verhalten auf den vier Grundwerten des agilen Manifestes zu basieren. Gemäss Weber heisst das: „mehr Fokus auf Individuen und Interaktionen zu legen als auf Prozesse und Werkzeuge. Mehr auf Veränderungen zu reagieren, als weiter einen Plan zu verfolgen. Mehr mit Kunden zusammenzuarbeiten, statt Verträge zu verhandeln. Mehr auf funktionsfähige Produkte zu setzen als auf ausgedehnte Dokumentation.“ Wir streben hier also nach einem tiefgreifenden Wandel in der Arbeits- und Wirtschaftswelt und es ist leicht vorstellbar, dass sich nicht jede Organisation dazu eignet, diesen Wandel erfolgreich mitzumachen. Denn Agilität beginnt –wie wir bereits gelernt haben- im Kopf jedes einzelnen und ist letztlich ein Produkt der Führungs- und Unternehmenskultur

Frau Hofert bringt es in ihrem Beitrag „Warum nicht jedes Unternehmen sofort agil werden muss“ auf den Punkt: „Ernsthafte Veränderungen brauchen Erschütterungen, Krisen und eine Dekonstruktion des Alten. Wer dazu nicht bereit ist oder den guten Grund nicht findet, ist auf Evolution angewiesen. Viele wollen Agilität als Speerspitze für sehr allgemeine Probleme nutzen. Sie wollen damit etwas bekämpfen, das meist mit schlechter Führung und digitaler Einfallslosigkeit zu tun hat. Es herrscht der Irrglaube vor, mit Agilität liessen sich sämtliche Probleme zwischenmenschlicher Natur, auch die lästigen kleinen Alltagskonflikte, endlich lösen. Es stecken auch viele Erwartungen in Agilität – zum Beispiel, dass es etwas Neues sei und sich auf wenige Handgriffe reduzieren liesse."

Heisst soviel wie: wenn es keine wirkliche Vision gibt, oder die Vision nicht mit Lust an Begegnungen und am gemeinsamen Lernen von der Belegschaft gelebt wird, ist Agilität im eigenen Unternehmen nicht überlebensfähig. Agilität lässt sich nicht mit einem Top – Down Prozess im Unternehmen installieren und Agilität ist auch kein Konzept mit dem man eine schlechte Führung, Fantasielosigkeit in der digitalen Strategie oder generell Manager auffangen kann, die sich nicht für Menschen sondern ausschliesslich für theoretische Methoden interessieren. 

Auch Herr Roock hakt mit seinem Beitrag „Agilität bedeutet, dem Kontrollwahn ein Ende zu bereiten“ genau hier ein. 

„Agilität (...) schafft weder Abgrenzungen noch Kontrolle im klassischen Sinne. Agilität zu verbreiten bedeutet Mauern einzureissen. Die agilen Kernideen machen es sehr einfach:

Bilde interdisziplinäre Teams und lass sie die Probleme der Endkunden lösen. Dazu haben sie direkten Endkundenkontakt. So verstehen die Mitarbeiter die Probleme und Bedürfnisse der Kunden wirklich und liefern Lösungen direkt an sie. Die agilen Teams lösen die Probleme der Endkunden möglichst schnell und ohne Verzögerungen. Sie arbeiten dazu selbstorganisiert und autonom (keine Abhängigkeiten). Und da die heutigen Probleme nicht so einfach zu lösen sind, arbeiten die Teams in kurzen Zyklen, um Arbeitsschritt für Arbeitsschritt kontinuierlich zu lernen und zu überprüfen, wie die Lösung und der Weg zur Lösung optimal aussehen. So begeistern agile Teams sowohl ihre Endkunden wie auch die eigenen Mitarbeiter.“ Agilität braucht also Platz, Zeit und Geld und entsteht u.a. dort, wo empathische und charismatische Führungspersonen Mitarbeitende auf sympathische Weise begeistern, aufwecken und mitreissen können. Hier ist Experimentierfreudigkeit gefragt kombiniert mit der Bereitschaft, eine andere Denk- und Handlungslogik zu leben und ein offenes Ohr für die Anliegen der Kunden zu haben. Und es hilft nichts, einzelne neue Digitalisierungsabteilungen agil zu gestalten, wenn der Rest des Wagens das neue Denken nicht mitträgt und –lebt. 

So wissen wir nun also, dass Madame Agility mitunter launisch sein kann. Aber wenn sie ihr Umfeld mag und merkt, dass alle auch sie mögen, dann entwickelt sie sich zu einer regelrechten Powerlady. 

Dieser Beitrag wurde von Matthias Hungerbühler gepostet.





Quellen



Swift MX - Banken müssen jetzt handeln



Warum müssen die Swift MT Zahlungsformate nach ISO 20022 migriert werden?

Da nationale und internationale Regulatoren von den Banken immer mehr Details über Zahlungen an Personen und Firmen verlangen, gehörte es zu den primären Geschäftsaufgaben, die Einhaltung der Mandate zu gewährleisten. So verlangt zum Beispiel die Financial Action Task Force Special Recommandation (FATF) die Einbindung und den Transport von Zahler-Informationen über die ganze Zahlungskette.

In der Vergangenheit waren Finanzinstitute nicht dazu verpflichtet, die vollständigen Informationen der in einer Zahlung involvierten Parteien zur Verfügung zu stellen. Heute müssen sie den Zahlungsinitiator wie auch den Empfänger kennen und sind dafür verantwortlich, die Kontonummer, den Namen und die Adresse des Überweisenden zu melden. Zukünftig werden die Regulatoren Banken daran hindern, Transaktionen zu prozessieren, wenn die Informationen über den Begünstigten nicht validiert werden können.

Der stetig steigende Bedarf an Informationen im Zahlungsverkehr im Kampf gegen Geldwäsche und Sanktionen erhöht auch den Druck auf die vollautomatisierte Verarbeitung von Zahlungen. Ein Wandel zu einem strukturierten Format, bei dem Details wie Geburtsdatum oder Passnummer hinterlegt werden können, fördert die automatisierte Verarbeitung dort, wo diese bis anhin rein manuell ist.

Basierend auf dieser regulatorischen Zahlungsformatierungsverantwortlichkeit ist die Erwartung, dass Meldungen für die Validierung der Zahlungsinformationen ordnungsgemäss formatiert sind. Der Swift MT Zahlungsstandard ist nicht flexibel genug, um die stetig steigenden regulatorischen Erwartungen zu erfüllen. Eine zusätzliche Herausforderung bilden die limitierten Formatierungsmöglichkeiten, um die Compliance-Anforderungen einzuhalten und die vollautomatisierte Verarbeitung hochzuhalten. Dies wiederum wird dazu führen, dass manuelle Arbeitsschritte in die Transaktionsverarbeitung eingeführt werden müssen, um die Validierung sicherzustellen. Längerfristig könnte dies dazu führen, dass Regulatoren ihre eigenen Standards vorschreiben. Die Finanzindustrie benötigt ihre eigene und flexible Struktur, die es erlaubt, Informationen über den ganzen Transaktionsprozess zu übermitteln und trotzdem eine einfache Validierung zulässt – und ISO 20022 offeriert diese Lösung

Die Wahl der Finanzindustrie ist klar. Sie kann den Wandel der Zahlungsmeldungsstandards selber gestalten oder andere übernehmen dies für sie. So ist es einer gewissen Dringlichkeit geschuldet, dass die Finanzindustrie geschlossen die Migration der Zahlungsformate von Swift FIN zu ISO 20022 vorantreibt.

Gibt es neben der regulatorischen Notwendigkeit auch andere Gründe für die Dringlichkeit ISO 20022 anzunehmen?

Im Grossen und Ganzen stehen wir den typischen Problemen von Standards gegenüber. Swift startete 1977 und Swift FIN blieb für über 40 Jahre de facto, wenn auch alter, Standard. Dies überlässt die Banken dem Wettbewerb durch Herausforderer- bzw. Nicht-Banken, welche mit neueren und kostensparenden Technologien den Markt mit besseren, schnelleren und günstigeren Zahlprodukten erobern.

Ein Teil des Impulses für die Finanzindustrie auf ISO 20022 zu migrieren ist auch der gesteigerten Effizient der Zahlungssysteminfrastrukturen geschuldet. Die Annahme des ISO-20022-Standards durch Marktinfrastrukturen auf der ganzen Welt war ein guter Start. Die Zahlungssysteme in vielen Ländern weltweit setzen schon ISO 20022 voraus, sei dies SEPA, SIC in der Schweiz, Japans Zengin System, Singapurs Giro System, Chinas CNAPS2 oder auch Finnland, Griechenland, Canada und Australien. Target2 plant den Abschluss der Migration auf ISO 20022 für November 2021.

Im Weiteren bedarf das langfristige Ziel der zahlungssystemübergreifenden Interoperabilität einer eigenen Berücksichtigung. Als Beispiel sei hier PSD2 genannt, welche für zugelassene Dritte den Zugang zu Zahl- und Kontodienstleistungen verlangt. Interoperabilität zwischen den Zahlsystemen basierend auf ISO 20022 reduziert Kosten und ermöglicht Dritten einen einfacheren Weg, sich an die Zahlungssysteme anzuschliessen. Generell unterstützen einheitliche Zahlungsformate und Technologien die Wiederverwendbarkeit von Dienstleistungen rund um den Zahlungsverkehr.

Darüber hinaus besteht auch ein Zusammenhang zwischen der Konvergenz von Zahlungssystemen für Massenzahlungen bzw. Kleinbeträgen und den grenzüberschreitenden Zahlungen im Hinblick auf die Interoperabilität. Immer mehr Clearing Häuser werden den ISO 20022 Standard für den Austausch von Zahlungsanweisungen nutzen und die Abwicklungszeiten minimieren können, als Beispiele seien hier Instant Payments und Swift gpi erwähnt. Letztendlich erfordert Interoperabilität ein gemeinsames Set an Funktionen für die Ausführung von Zahlungen aller Art.

Warum muss jetzt gehandelt werden? Nichts zu tun führt meist dazu, dass andere die Kontrolle übernehmen, die möglicherweise unangemessene Zeiträume für die Implementierung und Einhaltung von Vorschriften auferlegen. Da die Umstellung auf ISO 20022 Jahre dauern wird, um in der gesamten Finanzindustrie eingesetzt werden zu können, müssen sich die Teilnehmer schon jetzt damit auseinandersetzen und nicht erst das von Swift festgelegte Zeitfenster von 2021 – 2025 abwarten. Und keine Bank kann sich da ausnehmen. Die Migration betrifft Banken jeglicher Grösse, da sie und ihre Kunden zunehmend global unterwegs sind.

Untätigkeit hat auch unmittelbare negative Auswirkungen auf kleinere und mittlere Banken, die trotz dramatischer Veränderungen weiterhin in die aktuelle Marktinfrastruktur investieren. Die Swift-Community diskutiert deshalb über eine Initiative, bei der Banken jeder Grösse entscheiden können, wie sie schon heute am besten investieren, um künftige Anforderungen zu erfüllen. Mit diesen Investitionen können sich Banken besser positionieren, um auf die steigenden Anforderungen der Firmenkunden im Zahlungsverkehr flexibler zu reagieren. Die Unternehmerseite hat schon früh als Wegbereiter der Interoperabilität auf ISO 20022 gesetzt. Und die Unternehmergemeinschaft ist trotz aller Hindernisse wie unterschiedlichen Technologien und Plattformen selbst innerhalb von komplexen Firmenstrukturen auf einem guten Wege.

Aus Sicht von PPI Schweiz sollten die Schweizer Finanzinstitute die Migration von Swift MT auf MX schon jetzt ins Auge fassen und mit deren Planung beginnen. Das fachliche Wissen rund um ISO 20022 ist aufgrund der SIC und euroSIC Migration immer noch vorhanden und kann umfassend genutzt werden. Es wäre schade und sicherlich auch sehr teuer, wenn dieses Wissen für die nächsten 2 – 3 Jahre brachliegen würde und wieder von Neuem aufgebaut werden müsste.

Dieser Beitrag wurde von René Heusser gepostet.

#ZVMigration #SwiftMX

Extended Mind und Smartphone Banking

Im Juni 2014 entschied das US-Amerikanische Supreme Court, dass die Polizei einen richterlichen Beschluss benötigt, um das Smartphone eines Verdächtigen zu infiltrieren. Daran soll uns hier weniger der Umstand interessieren als vielmehr die Begründung. Die Richter stellten fest, dass «modern cell phones […] are now such a pervasive and insistent part of daily life that the proverbial visitor from Mars might conclude they were an important feature of human anatomy.» (https://www.law.cornell.edu/supremecourt/text/13-132). Aufgrund dessen sei der Einbruch in das Smartphone eine so tiefgreifende Verletzung der menschlichen Privatsphäre und nur mit richterlichem Beschluss zu rechtfertigen. Die Implikation dieser Metapher, nämlich der des Smartphones als wichtigem Teil unserer Anatomie, wollen wir heute nachgehen. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf die Tragweite von Smartphone Banking ziehen.

Das Smartphone ständig griffbereit in der Hosentasche – jeder kennt das. Die ganze digitale Welt in einem handlichen Gerät. Aus Wissen wird das Wissen-wo-es-steht. Stetig fliessen Daten vom Digitalen ins Analoge und gleichzeitig vom Analogen ins Digitale (unsere User-Daten). Ein ständiger Strom statt – wie früher – feste Grenzen zwischen Selbst und Umwelt.

Welche Auswirkungen hat diese sehr junge Entwicklung? Und zwar nicht nur auf die Gesundheit, sondern auf unsere gesamte Persönlichkeit? Einige Studien legen nahe, Smartphones schwächen die Konzentrationsfähigkeit und machen uns geistig faul – schliesslich müssen wir dank Siri & Co. immer seltener das Gehirn bemühen, um uns an Termine zu erinnern oder in einer neuen Stadt zurecht zu finden (Cherry, 2018).

Möglicherweise sind die Effekte aber noch viel tiefgehender. Berühren und streiche(l)n waren in der Evolution stets Mittel zur Herstellung von Intimität. Tatsächlich erhöhen diese haptischen Elemente Vertrauen und Risikofreudigkeit (Melumad und Pham, 2017). Nicht erst seitdem Sprachassistenten Einzug ins Smartphone erhalten haben, lagern wir immer mehr kognitive Aufgaben in das Gerät in der Hosentasche aus (Chemero und Käufer, 2018). 

Philosophen wenden daher seit einiger Zeit die sog. Extended-Mind-Hypothese (nach Clark und Chalmers, 1998) auf die Forschung über technologische Geräte an (z.B. Record und Miller, im Erscheinen). Schon viel früher, nämlich vor 91 Jahren, schrieb der deutsche Philosoph Martin Heidegger über die Zuhandenheit von Werkzeugen des täglichen unreflektierten Gebrauchs. Ein Hammer werde „zunächst und zumeist“ nicht als Gegenstand benutzt – also als etwas, dem wir gegenüber stehen – sondern ist uns viel näher und unmittelbarer gegeben. Erst wenn der Hammer nicht funktioniert, interessieren wir uns für ihn als Ding und definieren Eigenschaften (Grösse, Gewicht, etc.). Je komplexer das „Zeug“, desto weniger kennen wir die Eigenschaften und Mechanismen, sind aber gleichwohl meist zufrieden, sofern es uns im Alltag verlässliche Dienste leistet. Der Hammer als Zeug ist zuhanden, indem er uns leicht zur Hand geht, der (nicht funktionierende) Hammer als Ding ist vorhanden, liegt uns also gleichsam gegenüber und wird betrachtet und analysiert (Lynch, 2016).

Und damit wären wir beim Smartphone. Erst das Smartphone ist wirklich „handy“, also  intuitiv zu bedienen und funktioniert in aller Regel völlig anstandslos. Die iPhone-Revolution hat dazu geführt, dass das Taschengerät immer weniger Ding und immer mehr Zeug wurde. Aufgrund der haptischen Bedienung und Handlichkeit gehen wir mit dem Smartphone natürlicher und intuitiver um als mit PC oder Laptop. So konnte es immer mehr die Stellung als zentrale Schnittstelle zwischen analoger und digitaler Welt einnehmen. Und je haptischer, intuitiver und unauffälliger die Bedienung ist, desto weniger nehmen wir diese Schnittstelle selbst noch wahr und desto besser können wir die zahlreichen Anwendungen nutzen, mit denen es uns verbindet. 

Das Smartphone ist also nicht irgendein technologisches Gadget. Die Einflüsse auf unsere Persönlichkeit und Subjektivität prägen auch die Erwartungshaltung, die wir an Smartphone Banking Lösungen haben – so zumindest die hier zur Diskussion gestellte These. Daraus folgt zunächst, dass Banken ihre App nicht nur als ein Kanal ähnlich dem e-Banking verstehen sollten, sondern als viel intimeren Kontaktpunkt zum Kunden. NeoBanken haben das begriffen und bieten oft nur noch die App-Oberfläche an.

Sie sind es auch, die den Datenschatz, den der digitale Austausch bietet, intensiv nutzen. Ausserdem setzen sie stark auf PSD2 und ähnliche Initiativen und können so den oben erwähnten stetigen, unauffälligen und selbstverständlichen Datenstrom in beide Richtungen gewährleisten. Womöglich verändert die Fluidität des Bezugs zum Digitalen auch unser Verhältnis zum Digital-Geld selbst. Revolut beispielsweise zeigt nicht nur den Kontostand an, sondern den Geldfluss – absteigend während des Monats, ansteigend am 25ten. Der exakte Betrag wird sekundär. An die Stelle der bewussten Kontrolle treten selbst definierbare Budget-Regeln. Die App warnt uns, wenn wir das gesetzte Limit erreichen. Vielleicht werden wir so durch Mobile Payments zahlungsfreudiger im Alltag?

In jedem Fall werden intelligente Banken die Befunde, dass haptische Bedienung Risikofreudigkeit und Vertrauen erhöhen, auszunützen wissen. Möglichst wenig sollte auf Tastatureingaben, möglichst viel auf Wischen, Streichen und Stupsen zurückgegriffen werden. Biometrische Authentifizierungsverfahren sind der Passworteingabe vorzuziehen. All das kann dabei helfen, eine subtile Nähe zu einer User Group aufzubauen, die der Kundenberater recht selten zu Gesicht bekommt.

Die App der Bank muss genauso einfach zu bedienen sein und fehlerfrei funktionieren wie wir das von anderen Apps gewöhnt sind. Und natürlich muss alles sofort verfügbar sein – daher die Erwartungen an Instant Payments. Dies sind hohe technische Anforderungen. Banken werden sie jedoch umsetzen müssen, wollen sie den modernen Smartphone-Menschen erreichen. Durch eine hohe Nutzerfreundlichkeit ihrer App kann sich die Bank als zentrale Schnittstelle zu den finanziellen Angelegenheiten des Kunden etablieren. Hier gibt es noch viele Möglichkeiten, sich zu differenzieren: Man denke nur an vereinfachte Einrichtung der Sprachsteuerung, an Chat-Bots, die ihre Sprachwahl an das Kundenprofil anpassen, an Schnittstellen zu Depot und Vermögensverwaltung sowie an all das, was unter Gamification rangiert (siehe unser früherer Blog). Aber auch für das Unternehmenskundengeschäft lassen sich aus diesen Überlegungen Rückschlüsse ableiten. Schliesslich benutzen Unternehmen heute Apps für ihren Zahlungsverkehr. Die verteilte elektronische Unterschrift (VEU) ist hier eine jüngere Entwicklung.

Mark Weiser, eine Koryphäe des frühen Silicon Valley, schrieb in seinem prägenden Papier The Computer for the 21st century (Weiser, 1991): «The most profound technologies are those that disappear. They weave themselves into the fabric of everyday life until they are indistinguishable from it.» Wenn wir diesem Gedanken folgen, dann müssen wir annehmen, dass Sprachassistenten und Virtual Reality Brillen nur konsequente Entwicklungsschritte sind. Und dass es vielleicht nicht mehr lange dauert, bis Smartphones durch Chips ersetzt werden, die wir unter der Haut eines Fingers tragen und mit tippen auf diesen ein- und ausschalten. Das klingt aktuell noch nach Science Fiction. Aber das hätte unser heutiger Umgang mit Smartphones vor 10 Jahren auch. Erfolgreiche Banken werden all diesen Entwicklungen nicht ablehnend oder herablassend gegenüber stehen, sondern die Chancen – etwa den engen personalisierten Kundenkontakt bei gleichzeitig niedrigem Personaleinsatz – zu nutzen wissen. Und natürlich dürfen sie bei alldem nicht die Schlussfolgerungen vergessen, die der Supreme Court zieht: die Daten auf unserem Smartphone müssen so sicher sein wie unser leibliches Wohl.


Dieser Beitrag wurde von Sebastian Strub gepostet.

#Smartphone #MobileBanking








Quellen:

Chemero, Anthony und Käufer, Stephan (2018): Pragmatism, Phenomenology, and Extended Cognition, in: Pragmatism and Embodies Cognitive Science, S. 57-72

Cherry, Kendra (2018): The Effects of Smartphones on the Brain

Clark, Andy und Chalmers, David J. (1998): The Extended Mind, Analysis 58 (1), S. 7-19

Lynch, Michael Patrick (2016): Leave my iPhone alone: why our smartphones are extensions of ourselves, The Guardian 19.02.2016

Melumad, Shiri und Pham, Michel (2017): Understanding the Psychology of Smartphone Usage: the Adult Pacifier Hypothesis, in NA - Advances in Consumer Research Volume 45, S. 25-30

Record, Isaac und Miller, Boaz (im Erscheinen) Taking iPhone Seriously: Epistemic Technologies and the Extended Mind, in: Extended Epistemology

Weiser, Mark (1991): The Computer for the 21st century, Scientific American Ubicomp Paper

Was wäre wenn Instant Payments morgen eingeführt würde?

Um dieser Frage nachgehen zu können, muss erst einmal klar sein, was Instant Payments denn eigentlich genau sind. Viele verstehen unter diesem Begriff einfach nur das Prozedere schnell Geld von A nach B überweisen zu können, doch der Begriff beinhaltet deutlich mehr. Per Definition sind Instant Payments elektronische, multikanalfähige Zahlungsverkehrslösungen, die permanent (24/7/365) zur Verfügung stehen und folgende Charakteristika aufweisen:

Zahlungen werden sofort (also innerhalb von Sekunden nach Auslösung der Zahlung)
- an den PSP des Zahlungsempfänger übermittelt
- dem Zahlungsauslöser bestätigt
- dem Konto des Zahlungsempfängers gutgeschrieben
- dem Empfänger verfügbar gemacht

Unter Beachtung dieser Parameter stellen wir schnell fest, dass Instant Payments deutlich mehr sind, als nur ein einfacher Überweisungsvorgang oder ein reines Bankprodukt. Ebenso fällt auf, dass es teilweise bereits seit Längerem Produkte und Lösungen am Markt gibt, die in die Kategorie Instant Payments fallen. Auch wenn diese in vielen Fällen bislang lediglich als geschlossenes System funktionieren, sind sie dennoch bereits heute ein Bestandteil unseres Zahlungsverkehrsalltags.

Status Quo
Mit SEPA Instant Payments und PSD2 stehen innerhalb der EU Konstrukte zur Verfügung, auf deren Basis die Einführung und Umsetzung von Instant Payments ermöglicht und vorangetrieben werden sollen. Dennoch sieht sich die Realität teilweise immer noch weit von einer umfassenden Einführung und vor allem einer Etablierung von Instant Payments entfernt. Die Gründe hierfür sind vielfältig:
Echtzeitüberweisungen sind beispielsweise nur möglich, wenn beide involvierten Banken den entsprechenden Service anbieten (was Stand heute z.B. in Deutschland auch mehr als 1 Jahr nach dem offiziellen Start noch immer nicht flächendeckend der Fall ist). Ein weiteres Hindernis ist die teils sehr differenzierte Preisgestaltung, von «im Preis inklusive» bis hin zu «vollkommen überteuert» ist hier alles mit dabei. Für Kunden stellt sich somit die Frage, wieso sie für einen Service Geld bezahlen sollen, den es bei anderen Anbietern bereits seit Jahren völlig kostenfrei und auch noch mit deutlich mehr Zusatzdiensten (bspw. Käuferschutz) gibt – Stichwort PayPal, hierbei einer der grossen Konkurrenten und «Angstgegner» der Banken. Auch das Fehlen von einheitlichen technischen Schnittstellen und standardisierten Prozessen für den Einsatz am POS, im E-Commerce und P2P-Zahlungen verhindern das Ablösen bestehender Verfahren und somit das Etablieren von Instant Payments und das damit verbundene Innovationspotential. Auch wenn es bereits verschiedenste Produkte am Markt gibt (u.a. auch von Banken), fehlt es hierbei, neben der Interoperabilität zueinander, meist auch an der entscheidenden Verbesserung gegenüber bestehenden Verfahren und Möglichkeiten (Geschwindigkeit, Usability, u.v.m.). 

Was wäre nun, wenn...
Gerade für Corporates dürften sich bezüglich der fiktiven morgigen Einführung von Instant Payments sowohl freudige Erwartung als auch gewisse Bedenken bezüglich eigener Prozesse einstellen. Neben der sehnlichst erwarteten sofortigen Zahlungsbestätigung sowie entsprechenden Möglichkeiten im Bereich Treasury, stehen diese auch vor der Herausforderung, ihre Folgeprozesse an die Geschwindigkeit der Bezahlprozesse anzupassen. Nicht nur bei Online-Einkäufen wird dann ein sofortiger bzw. taggleicher Warenversand erwartet, auch müssen z.B.  Dienstleistungen wie Prepaid-Aufladungen oder der Kauf von Aktienfonds entsprechend auf die verschiedenen Zahlungswege angepasst werden. 
Für Privatanwender dürfte sich die erste Entwicklungsstufe grundsätzlich nicht übermässig bemerkbar machen. Ein Bedarf an Echtzeitüberweisungen wird sich in der breiten Masse erst einstellen, sobald sich diese als Standard etabliert und bestehende Verfahren kostenneutral ersetzt haben. Bereits verfügbare, geschlossene P2P-Zahlungssysteme werden zwar weiter an neuen Nutzern gewinnen, jedoch ebenfalls keine bestehenden Verfahren ablösen oder Kehrtwenden herbeiführen. 
Richtig spannend wird es daher erst, sobald P2P-Anbieter die derzeit noch fehlende Interoperabilität beseitigen und damit Nutzern, auch wenn sie verschiedene P2P-Lösungen verwenden, den gegenseitigen Geldtransfer ermöglichen. Die damit geschaffene Reichweite der Mobile-Payment-fähigen Lösungen ist jetzt auch für Händler höchst interessant, denn nun kann dank der Interoperabilität mit der gleichen App auch gleich am POS bezahlt werden. Die bislang zwischengeschaltete Debitkarte und die damit verbundenen Händlergebühren können somit zukünftig umgangen werden. Auch die Integration von immer mehr Mehrwertdiensten wie beispielsweise Payback-Lösungen, Gutscheinen, Coupons oder Bonuskarten wird deutlich zunehmen und damit auch weiter die Attraktivität entsprechender Bezahllösungen steigern. 

Fazit
Instant Payments weisen einen disruptiven Charakter auf und haben somit das Potential, bestehende Technologien durch Verbesserung derer alten Strukturen zu ersetzen und diese schlussendlich zu verdrängen. Früher oder später werden alle relevanten Bezahlverfahren über Instant Payments erfolgen, denn neben den nicht zu leugnenden Effizienzgewinnen für alle Beteiligten ist gerade unsere heutige Lebensart der massgebliche Treiber von Instant Payments. Alles muss schnell, jederzeit und zu jedem Zeitpunkt überall möglich sein, angefangen bei der Informationsbeschaffung, über Kommunikation, Bestellvorgänge und schlussendlich bis hin zur Bezahlung. Auf Bankenebene ist es eher eine Frage des Geschäftsmodells und weniger der technischen Umsetzung, deren Grundlagen innerhalb der Bankenwelt mittlerweile weitestgehend geschaffen und verfügbar sind. Unsere heutige Welt ist bereits «Instant» und dorthin wird sich unweigerlich auch unser Zahlungsverkehr entwickeln. Die Frage bleibt jedoch, inwieweit sich Banken gegenüber Drittanbietern behaupten und damit ihre Ertragsquellen aus dem Zahlungsverkehr sichern können. Wieder einmal dürften Innovationskraft und Geschwindigkeit die massgebenden Faktoren für einen nachhaltigen Erfolg sein.

Dieser Beitrag wurde von David Lehr gepostet.

#InstantPayments