Ein neues Schema im Zahlungsverkehr: Dürfen wir vorstellen: "SEPA API Access Scheme"

Es ist mal wieder an der Zeit neues Akronym im Open Banking genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Euro Retail Payments Board (ERPB), respektive deren Arbeitsgruppe «Access Scheme», hat im Juni 2021 einen Report publiziert, welcher aufzeigt, wie die aktuell relativ vertrackte Situation rund um die Verbreitung von Angeboten auf Basis der PSD2-Regulation verbessert werden kann. Es ist kein Geheimnis, dass sich mit der Regulation allein nicht der gewünschte Erfolg bei der Öffnung der Banken im eigentlichen Sinn von Open Banking eingestellt hat. Selbst die technischen Präzisierungen in den Guidelines der Berlin Group unter dem Label «NextGenPSD2» waren nicht ausreichend, um die Segmentierung der Angebots-Varianten bei den Banken und die generell sehr zögerliche Verbreitung zu verhindern.

Die Autoren des Reports propagieren nun sog. «value-added premium services», welche eine natürliche Evolution auf der Basis der PSD2 darstellen und in zukünftige Rulebooks und Implementation Guidelines einfliessen sollen. Dabei soll die aktuelle Fokussierung auf Payments auf andere Financial Use Cases erweitert werden bis hin zu sogar branchenfremden Anwendungsszenarien. Daneben wird auch die aktuell starke Ausrichtung aufs Retailsegment aufgebrochen. Zukünftig sollen gleichbedeutend auch neue Lösungen im Business-to-Business entwickelt werden können. Nichtsdestotrotz beschäftigt sich der Report immer noch schwergewichtig mit dem Zahlungsverkehr und segmentiert seine Themen in folgende Bereiche: customer-to-business (C2B), business-to-business (B2B) und person-to-person (P2P).

Aus der Erfahrung, dass die Publikation von «Regulatory Technical Standards» allein nicht ausreichend für eine weite Verbreitung ist, wird nun ein schemabasierter Ansatz angestrebt. Die Arbeitsgruppe soll hierfür basierend auf der Grundlage der PSD2 Schlüsselelemente eines solchen Schemas festlegen, einschliesslich Berücksichtigung von Geschäfts- und Governance-Anforderungen inklusive der Beschreibung einer standardisierten API-Schnittstelle. Im Report wird eine ganze Reihe neuer «premium services» aufgelistet. Die wichtigsten, von der Arbeitsgruppe hoch priorisierten, sind nachfolgend aufgelistet:
  • Zahlung an einem definierten Datum in der Zukunft (pay later)
  • Zahlung in Abhängigkeit eines Events in der Zukunft (deferred payment)
  • Services für die IBAN-Validierung
  • Automatisierte PFM-Zahlungen (z.B. überschüssiges Budget am Monatsende auf ein Sparkonto überweisen)
  • Gleichzeitige Zahlung an mehrere Begünstigte (Aufteilung eines Gesamtbetrages)
  • Zahlung einer nicht final definierten Betragshöhe (z.B. in Abhängigkeit zurückgelegter und gemessener Kilometer bei einer Heimlieferung)
  • Beantragung von Kleinkrediten bei unzureichender Deckung
  • Wiederkehrende Zahlungen (Abos)
  • Rückzahlungen
Man kann die obige Auflistung als «high level» oder abgehoben bezeichnen («… das sind wir schon lange selbst draufgekommen …») und es ist wohl richtig, dass ein Brainstorming neuer Use Cases an sich noch nicht den Erfolg bringt. Auch das wurde von den Autoren erkannt und sie listen unter «Business Anforderungen» eine ganze Reihe von Rahmenbedingungen auf, welche in der Tat für den Erfolg einer Verbreitung von zentraler Bedeutung sind, z.B. europaweite einheitlich definierte Services und Standards für
  • die Validierung von Identitäten
  • die Erstellung und Interpretation von QR-Codes
  • den Zugriff und den Unterhalt von Proxies für das Mapping von Bank-IDs (z.B. von Handy-Nummer auf IBAN)
  • das Aufsetzen und die Abwicklung von Request-to-Pay-Verfahren
  • die Strong Customer Authentication (SCA)
  • die Definition von Zahlungsgarantien
  • etc.
Die Kapitel zur Governance, Details bezüglich Schema-Partizipation, Gebühren und Infrastruktur sind dann eher etwas für hart gesottene und würden den Rahmen dieses Blogs auch definitiv sprengen. Schlussendlich würde man die «Bits und Bytes» im Sinne von Rulebooks und Implemenation Guidelines gerne wieder dem EPC anvertrauen, was sich in der Vergangenheit ja auch gut bewährt hat.

Zeit zum Fazit zu kommen: Eine namhafte Arbeitsgruppe hat sich im Mandat der Europäischen Zentralbank Gedanken gemacht, wie man im Open Banking nach der PSD2 einen nächsten Schritt angehen könnte. Die Ideen sind teilweise bekannt und teilweise bereits sehr detailliert ausgearbeitet. Als grobe Leitlinie ist die Idee von «premium services» und die Betrachtung von Branchen- wie auch Segments-übergreifenden Anwendungsfällen der richtige Schritt. Wie sagen wir Schweizer doch immer: «wir beobachten aktiv die weitere Entwicklung».


Dieser Blog wurden von Carsten Miehling gepostet. 


Quelle: https://www.ecb.europa.eu/paym/groups/erpb/shared/pdf/15th-ERPB-meeting/Report_from_the_ERPB_working_group_on_a_SEPA_API_Access_Scheme.pdf?52770756a713895bdc4fd072873346be

In jedem Ökosystem gibt es auch Verlierer

Lässt man die Fachbeiträge und Konferenzen der letzten Monate Revue passieren, dann stellt man fest, dass der Begriff «Digitales Ökosystem» hyperinflationär verwendet wurde. 


Als Experten im Zahlungsverkehr treffen wir auch häufig die Abwandlungen «Ökosystem des Zahlungsverkehrs» oder gar «Europäisches Ökosystem des Zahlungsverkehrs» an. Auf den ersten Blick ist so ein Ökosystem ja etwas Feines und wird auch jeweils als etwas äusserst Positives dargestellt, wo jeder Akteur im System seinen Nutzen realisieren kann. Ein Blick zum Vorbild aus der Naturwelt zeigt allerdings, dass es mitunter sehr brutal zu und her geht und es am Ende der Nahrungskette nicht allzu viele Plätze zu besetzten gibt. 

Schlagen wir nun den Bogen zum «Schweizerischen Ökosystem des Zahlungsverkehrs». In der Analogie zur Natur könnte man dieses als ein Naturschutzgebiet innerhalb von Europa bezeichnen.

Wie wir wissen, können wir die EU-Regulationen im Zahlungsverkehr weitestgehend ignorieren und uns ganz auf unser heimisches Schaffen konzentrieren. Da werden z.B. Digitale Sparschweine lanciert, Sackgeld-Apps entwickelt oder eine nationale mobile Bezahllösung mit grossem (finanziellem) Aufwand im Markt gepuscht. Als Europäisch aufgestellte Produkt- und Beratungsfirma reibt man sich beim Austausch mit den Kollegen oftmals die Augen. Die aktuell von Europäischen Banken getriebenen Top-Themen wie «Request to Pay» (RTP) oder «European Payment Initiative» (EPI) sind hierzulande nur Insidern ein Begriff. Bei der Modernisierung der Zahlungsverkehr-Infrastruktur Richtung Instant Payments (IP) ist der Schweizer Finanzplatz ebenfalls fünf Jahre im Rückstand im Vergleich zu den Europäischen Finanzinstituten (aktuelle Erreichbarkeit von IP gegen 70%).

Instant Payments (IP) und Request to Pay (RTP) wurden als Thema in diesem Blog bereits beleuchtet, sodass es sich unserer Meinung nach Lohnt noch einen Blick auf die «European Payments Initiative» (EPI) zu werfen. An einer kürzlich durchgeführten Online-Konferenz waren die vertretenen Top-Banker der Runde der Meinung, dass EPI das Mittel sein wird, um die Hoheit im Europäischen Ökosystem des Zahlungsverkehrs zurück zu erlangen. Dies in Kombination mit den Instrumenten RTP und IP. Man könnte salopp auch sagen, man möchte das Ende der ZV-Nahrungskette nicht kampflos den Konkurrenten aus USA und China überlassen. Die EPI soll ein Bezahlschema entwickeln, welches die Abwicklung von Transaktionen in einem Geschäft ab dem Bankkonto als zentrales Element ausweist und somit Zwischenhändler wie Visa oder Mastercard ausschaltet.

Im Gegensatz zu den regulatorisch getriebenen PSD2-Initiativen ist EPI rein privatwirtschaftlich getrieben und unter den aktuell 16 Aktionären der kürzlich mit Sitz in Brüssel gegründeten EPI Interim Company entdeckt man das Who is Who der Europäischen Bankenlandschaft (u.a. DB, Commerz, Crédit Agricole, ING, Banco Santander, Unicredit, etc.). Natürlich stellt sich jedem Schweizer Banker mit Blick auf die Liste sofort die Frage, warum z.B. UBS oder Credit Suisse zu den Abwesenden zählen? Da machen sich die führenden Banken in Europa daran eine zumindest mittelgrosse Revolution im Zahlungsverkehr anzuzetteln und wir sind nicht mit von der Partie? Aus unserer Sicht braucht es jetzt nochmals ein Wachrütteln der verantwortlichen Entscheider im Zahlungsverkehr Schweiz. Ansonsten riskieren wir nicht nur einen Rückstand bezüglich der State of the Art ZV-Abwicklung (Stichwort IP), sondern den Anschluss komplett zu verlieren. Wir sollten also dringend das Augenmerk wieder auf die wirklich relevanten ZV-Entwicklungen in Europa und der Welt richten.

Dieser Blog wurde von Carsten Miehling gepostet


PS. Mehr Informationen zum Thema EPI aus erster Hand, gibt es an unserem PPI TopEvent am 15.4. Hier gehts zur Anmeldung.

Digitale Identitäten - die Erleichterung der Beziehungseröffnung

Diesen Sonntag (07.03.21) stimmt die Schweiz über das neue Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (E-ID-Gesetz) ab. Der Fakt, dass in der Schweiz erst im Jahre 2021 über ein solches Gesetz abgestimmt wird, zeigt, dass wir Schweizer im Bereich der Digitalisierung noch einiges an Aufholpotenzial haben.

Als kleiner Vergleich sei der digitale Vorzeigestaat Estland genannt. Erst seit 1991 unabhängig von der kommunistischen Sowjetunion geworden, haben die 1.3 Mio Estinnen und Esten seit dem Jahr 2000 einen in der Verfassung geregelten Anspruch auf das Internet und seit 2001 auch eine digitale ID. 

Zwar gibt es in der Schweiz schon länger private Anbieter digitaler Identitäten. Die SuisseID beispielsweise, die mittlerweile in der SwissID aufgegangen ist. Bisher gibt es nach Angaben der SwissSign Group, welche die SwissID herausgibt, rund 1 Mio Nutzer. Auch diverse Firmen akzeptieren diese Art der digitalen Identifikation bereits heute. Von einem flächendeckenden Erfolg kann allerdings (noch) nicht gesprochen werden. 

Bis dato fehlte es aber auch an einem klaren gesetzlichen Rahmen. Wir Schweizer mit unserer direkten Demokratie sind es uns ja auch gewohnt, bei Neuerungen jeder Art fleissig zu diskutieren und zu debattieren. Gute Argumente wechseln sich dann üblicherweise mit weniger Guten ab. Und so ziehen gerne einmal ein paar Jahre ins Land, bis ein neues Gesetz aktiv wird. 

Diskutiert wird nun also aktuell auch über das neue E-ID Gesetz über welches wir an der Urne entscheiden. 

Gegner des neuen Gesetzes monieren u.a., dass das Volk über einen Gesetzesartikel abstimmen müsse, der in noch folgenden Verordnungen final definiert werden will. Man könnte also argumentieren, wir stimmen über ein unfertiges Gesetz ab. Man könnte aber auch argumentieren, dass wir über einen Rahmen abstimmen. Wie konkret die Umsetzung dann aussieht, wird somit erst noch ausdiskutiert. Es wird aber auch bemängelt, dass die Herausgabe von IDs in der Hoheit des Staates bleiben und dies nicht durch Private Anbieter geschehen soll. 

Befürworter sehen vor allem einen Schritt in die richtige Richtung, mit welchem der gesetzliche Rahmen geschaffen wird um inskünftig online einfacher z.B. an Strafregister- und Betreibungsauszug zu kommen. Aber auch die Eröffnung einer Bankbeziehungen, die Gründung einer Firma oder auch das Abschliessen von Versicherungsverträgen wird mit einer digitalen ID deutlich vereinfacht. 

Die neue E-ID ist kein Ersatz der physischen ID oder des Passes, sondern eine staatlich anerkannte und vom Bund zertifizierte elektronische Identität, die dem Nutzer das Leben in der zunehmend digitalisierten Welt vereinfacht. 

Ohne den Artikel, dass auch private Anbieter eine solche digitale ID herausgeben dürfen, wäre die ganze Arbeit und der doch beachtliche Erfolg der SwissID inskünftig gar nicht mehr möglich. Es macht also keinen Sinn die ganze bereits geleistete Arbeit gesetzlich zu verbieten. Die E-ID ist ausserdem selbstverständlich freiwillig. Kein Dienstleister mit Kunden wird ausschliesslich auf die Identifikation mit der E-ID beharren, solange es noch immer die klassischen (physischen) Identitätskarten, Pässe, Ausländerausweise oder Führerscheine gibt. Allerdings ist es natürlich denkbar, dass in den nächsten Jahren und Jahrzehnten derart gute Erfahrungen mit einer solchen E-ID gesammelt werden, dass es dann in (noch ferner) Zukunft ganz nach Estnischem Vorbild nur noch eine digitale ID geben wird. Bei vielen positiven Erfahrungen wäre dagegen dann ja auch nichts mehr einzuwenden. 

Wird das Gesetz am 7. März angenommen und werden die folgenden Verordnungen dann noch richtig umgesetzt, gewinnt die Schweizer Gesellschaft im Allgemeinen, aber auch konkret die Finanzindustrie viel. In der Beziehungseröffnung beispielsweise. Denn gerade Fintechs, die eine einwandfreie User Experience bieten, haben das Onboarding teilweise bereits perfektioniert. Wenn auch vor dem Hintergrund, dass Fintechs grundsätzlich nie als Bank im Sinne von Artikel 1, Abs.3 des Bankengesetzes auftreten und damit auch viel weniger weitgehende Regulatorien zu erfüllen haben. Gerade deshalb aber ist das neue E-ID Gesetz ja so wichtig für den Schweizer Finanzplatz. 

Dieser grosse Schritt in eine digitalere Zukunft hat das Potenzial, dass bei den Banken zukünftig auch digitale Zertifikate, beispielsweise während dem EBICS-Initialisierungsprozess, akzeptiert werden könnten. Die SwissSign Group beispielsweise würde ja auch diese ausstellen. 

Vielleicht lässt sich der eine oder andere Leser auch noch dazu bewegen seine/ihre Stimme abzugeben. Der Autor dieser Zeilen stimmte jedenfalls JA und vertraut auf unsere Politik, dass das Gesetz und die folgenden Verordnungen zielführend umgesetzt werden.

Dieser Blog wurde von Matthias Peter gepostet. 

Die Schweizer Nationalmannschaft spielt in den dunklen Trikots von links nach rechts

Was hat so ein Titel in einem Finanzblog verloren mag sich der interessierte Leser fragen. Zugegeben, der Bezug zum aktuell heiss diskutierten Thema Instant Payments (IP) ist etwas weit hergeholt. Versuchen wir den Zusammenhang aufzulösen. Im Jahre 1967 drückte der damalige deutsche Vizekanzler Willy Brandt an der «Grossen Deutschen Funkausstellung» in Berlin einen roten Knopf, welcher in der Folge das Zeitalter der farbigen bewegten Bilder einläutete. Im Vorfeld wurde insbesondere unter den Medienschaffenden und den Konsumenten heftig darüber diskutiert, ob diese Innovation denn wirklich notwendig sei, man sehe ja nicht wirklich mehr, einfach nur in farbig und ob das die immensen Investitionen auf Seiten der TV-Produzenten, -Sender und -Empfänger rechtfertige.

Wenn ich mich an die ersten Gespräche zum Thema Instant Payments mit Bankvertretern auf dem Finanzplatz Schweiz zurückerinnere, dann fällt mir immer wieder die soeben geschilderte Analogie ein. Warum soll ein Firmenkunde jetzt plötzlich am Samstag seine Zahlungen machen wollen? Wo ist eigentlich das Problem, dass ich im Onlinebanking nach 16:00 Uhr nicht mehr gleichentags eine Überweisung mit entsprechender Gutschrift tätigen kann? Und überhaupt wir haben doch mit TWINT bereits eine Instant Payment Lösung der Schweizer Banken im Markt etabliert oder etwa nicht? Sie haben es bereits erkannt, analog dem Farbfernsehen wird die Ausbreitung von Instant Payments mit einer Verfügbarkeit von 7*24*365 nicht mehr aufzuhalten sein.