Bereits zum
vierten Mal veranstaltete die liechtensteinische Finanzindustrie am 21.03.2018 das
Finance Forum unter dem Titel „Finance 2.0 – die Finanzbranche im Wandel“. Mit
hochkarätigen Referenten ging die Tagung der Frage nach, welche
technologischen, regulatorischen und gesellschaftlichen Trends anstehen und
künftig auf den heimischen sowie auch auf den (Welt-) Markt einwirken werden.
Das „Line-up“ las sich wie das „Who-is-Who“ der grossen Entscheidungsträger. Adrian
Hasler, liechtensteinischer Regierungschef, gehörte genauso zu den Rednern wie
z.B. Urs Rohner, Credit Suisse Verwaltungsratspräsident und die
Panel-Teilnehmer Roland Matt, CEO der Liechtensteinischen Landesbank, Fritz
Kaiser, Executive Chairman von Kaiser Partner und Peter Marxer,
Verwaltungsratspräsident der Continor Treuhand Anstalt. Viele Firmen und Banken
waren zudem Partner dieses Anlasses, ja selbst Tesla war vertreten. Moderiert
wurde das Finance Forum vom bekannten Fernsehjournalisten Reto Lipp.
In seiner
Eröffnungsansprache fand der amtierende liechtensteinischer Regierungschef
Adrian Hasler gleich klare Worte. Liechtenstein habe gezeigt, dass es mit neuen
Herausforderungen umgehen kann. Denn jede Veränderung sei auch als Chance zur
Weiterentwicklung zu verstehen und heute präsentiere sich der Finanzplatz
Liechtenstein in einer konsolidierten und gestärkten Position. Finance 2.0 ist
somit für Liechtenstein kein Schlagwort mehr, sondern gelebte Realität. Um die
Rechtssicherheit als Standortvorteil weiter zu stärken, wird Liechtenstein als
eines der weltweit ersten Länder eine Blockchain Regulierung einführen. Hasler
sieht den Staat als Impulsgeber für ein attraktives Umfeld.
Diese Strategie
geht auf. Liechtenstein scheint für Unternehmen mit der Ausrichtung
Cryptocurrency, Tokenization etc. tatsächlich attraktiv zu sein. So ist auch
für die heimische Bank Frick seit einiger Zeit klar, dass das der neue Weg der
Spezialisierung ist. Denn auch Fintechs brauchen Bankdienstleistungen. Und
diese bietet ihnen die Bank mit einem kompetenten Team an.
Urs Rohner von
der Credit Suisse sieht sowohl für den Standort Liechtenstein als auch für die
Schweiz das Vertrauen als oberster Trumpf der Banken im Wettbewerb mit den
Fintechs. Die CS sieht jedoch die Fintechs nicht grundsätzlich als Kontrahenten,
sondern durchaus auch als potentielle Partner, die dabei helfen, das Bankgeschäft
neu zu erfinden. Obwohl die Banken in der jüngeren Vergangenheit massive
Prozessverbesserungen vollzogen hätten, müsse man sich ganz grundsätzlich die
Frage stellen, was die Kunden künftig von einer Bank wollen und wie sie das
wollen. Gerade im Retailbusiness wird gemäss Herr Rohner spätestens ab 2028
kein Kunde mehr mit der Bank sprechen. Die Kommunikationskanäle werden in den
nächsten 10 Jahren mehrheitlich durch AI automatisiert bedient werden.
Investitionen in AI schaffen so, gemäss Rohner, Wettbewerbsvorteile und
verhindern Disruption.
Das Panel mit den
Herren Matt, Kaiser und Marxer sah für das künftige Geschäft vor allem von kleineren
Banken und Treuhandfirmen Shared Services als Key, um Kosten sparen und sich
gezielt auf den „Need“ der wohlhabenden Familien ausrichten zu können. Und auch
hier galten Sicherheit, Kompetenz und Digitalisierung der Kundenschnittstelle
als anzustrebende Maxime. Die Vorteile vom Finanzplatz Liechtenstein, nämlich
die kurzen Wege zwischen Staat, Finanzmarkaufsicht und Privatwirtschaft, die offenen
Türen, das konzentrierte Knowhow sowie die Tatsache, dass man sich in der
Branche kennt, lassen Innovationen rascher zu und werden, so war man sich
einig, auch in Zukunft ein wichtiger Pfeiler des Finanzplatzes sein.
Aber dieses Forum
hätte wohl kaum so einen guten Ruf, würde es nicht auch externe, branchenfremde
und ebenso inspirierende Stimmen zulassen. Diese brachten
der Verhaltensökonom Prof. Ernst Fehr sowie der norwegische Wirtschaftsphilosoph
Anders Indset ein. Letzterer führte klar auf, dass wir vor einer
Intelligenzexplosion stehen. Die Komplexität der Welt nimmt stetig zu und wir
Menschen werden dadurch frustrierter. Wir müssen die Zukunft aktiv mitgestalten,
neue Wege gehen, nach ungewöhnlichen und vor allem einfachen Lösungen suchen, denn
spätestens der Durchbruch beim Quantencomputer wird die bestehende
Weltanschauung aushebeln.
Der
Verhaltensökonom Professor Fehr war thematisch mit seinem Referat wieder näher
an der Finanzindustrie. Er untersuchte in seiner Forschung die Ursachen, weshalb
Aktien so stark vom Realwert abweichen. Sein Team analysierte dazu die
Risikobereitschaft bei Investitionen und stellte fest, dass selbst Experten oft
irrational handeln. Das Risikoverhalten ist beeinflusst von Emotionen, die
wiederum vom Wetter (Sonnenschein) abhängig sein können. Pikantes Detail:
Frauen entscheiden gemäss Fehr rationaler wenn sie gut gelaunt sind, während
Männer in der gleichen Situation fast blind risikofreudig werden. Und das kann
unter Umständen eine grosse Gefahr im eigenen Unternehmen bergen.
Auch Anders
Indset war der Meinung, dass die Welt künftig den Frauen mit Bildung gehören
wird. Sie übernehmen immer mehr Schlüsselfunktionen und sind jetzt schon
weltweit für über 90% aller Kaufentscheide verantwortlich. Frauen sind eine
Weltkraft. Und dieser Tatsache müssen die Männer mit neuen Ideen begegnen und
nicht, indem sie in alten Strukturen denken. Wir brauchen laut Indset generell mehr wildes
Wissen. Wir brauchen mehr Kreativität, Menschlichkeit und emotionale
Reaktionen. Wir brauchen Gedanken, die unserer eigenen Kreativität entspringen
sowie Inhalte, die uns die Maschinen nicht geben können. Wir Menschen müssen
dort gut sein, wo uns Maschinen nicht schlagen können. Gelingt uns das nicht,
mutieren wir zum Homo obsoletus und machen uns mit der technischen Entwicklung
selber überflüssig. Auf seiner Folie stand dann auch provokant: „Technology is
the answer, but what was the question?“
Dieser Blog wurde von Matthias Hungerbühler gepostet.
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