Nachdem sich nun auch kleinere Finanzinstitute ein FinTech-Labor, eine Innovations-Fabrik oder einen CDO leisten, kann man davon ausgehen, dass auch auf der obersten Bankführungsstufe das Thema Digitalisierung in der Bankenindustrie angekommen ist. Auf einmal werden Budgets von ehemals nicht vorstellbarem Umfang für Produkte der elektronischen Kundenschnittstelle frei geschaufelt, neue Organisationen und Partnerschaften ins Leben gerufen und etablierte Investitionsrechnungen über Bord geworfen. Jeder möchte möglichst schnell Teil des oft zitierten Ökosystems werden.
Neue Investitionsmodelle wie "Venture Capital Approach" oder "Portfolio Funding Approach" sind sehr ”en Vogue”. Selbstverständlich wird aus einer guten Idee sofort ein MVP-Prototyp (Minimum Viable Product) gebaut, um die Business-Idee zu validieren. Nichtsdestotrotz ist es nicht jedem Bankmanager geheuer in seiner neuen Rolle als Venture Capitalist, denn neben den vielen Aufbruchs-Geschichten trüben in letzter Zeit auch erste Negativschlagzeilen über Fehlschläge und eingestellte Projekte (z.B. das gestoppte Blockchain-Projekt der Baloise, welche den Transfer von Daten von Vorsorge-Versicherten revolutionieren wollte) das Aufbruchstimmungsbild.
Aus eigener Erfahrung als Experten im Zahlungsverkehr wissen wir, wie naiv einige Innovationsprojekte in diesem Umfeld angegangen werden. So wird beispielsweise noch häufig die Frage gestellt, warum der Zahlungsverkehr nicht schon lange über die Blockchain abgewickelt wird. Der Transfer eines sog. Assets (z.B. Geld) von A nach B ist doch ein vermeintlich einfach zu lösendes Problem. Darüber hinaus können endlich die Drittparteien und Banken ausgeschaltet werden, die sowieso nur Gebühren für solche Transaktionen erheben. Verpackt man die Idee noch in eine schicke Mobile App (Mobile First!), dann kann einem als FinTech-Innovator fast nichts mehr passieren und die nächste Finanzierungsrunde ist so gut wie gewonnen (warum nicht gleich Initial Coin Offering aufziehen?).
Es soll an dieser Stelle nicht der Verdacht aufkommen, dass der Autor grundsätzlich negativ gegen die Innovationsprojekte in der Finanzindustrie eingestellt ist. Das Gegenteil ist der Fall. Seitdem FinTech-Unternehmen die etablierten Banken herausgefordert haben, hat sich schon einiges zum Besseren entwickelt. Auf der anderen Seite geht es aber auch um den ökonomischen Einsatz von Investitionsmitteln, denn die Hauptaufgabe einer Bank besteht nach wie vor darin Kundengelder zu verwahren, Kredite zu gewähren und generell sinnvolle Finanzdienstleistungen für ihre Kunden anzubieten. Dass dies bei den aktuellen Initiativen immer der Fall ist, kann getrost bezweifelt werden (ein Pepper-Roboter in der Bankschalter-Halle bringt sicherlich etwas Aufmerksamkeit, der Nutzen für mich als Bankkunde hält sich jedoch in engen Grenzen).
Seitens PPI bieten wir seit kurzem eine Experten-Validierung für Projekte mit Bezug zum Zahlungsverkehr an. Vielversprechende Projekte sollen vor der effektiven Implementierung nochmals auf den Prüfstand gestellt werden. Oft fehlt es den Kunden, darunter auch ausgewiesene Produktmanager, am notwendigen Detailwissen und an der Marktübersicht in diesem Spezialgebiet. Denn Zahlungen sind eben nicht nur der Transfer einer Geldsumme von A nach B, sondern umfassen eine ganze Menge an vor- und nachgelagerten Services. Services, die u.a. auch von den Regulationsbehörden vorgeschrieben sind.
Im konkreten Fall sind das beispielsweise die Auftragsvalidierung (technisch und fachlich), das Prüfen der Berechtigung des Auftraggebers, das Überwachen von Limiten und Kontoberechtigungen, die Prüfungen gegen Betrug (Fraud), die Liquiditäts-Disposition, das Filtern gegen Embargo-Listen, die Bestimmung des Leitweges im Fall von Auslandzahlungen, die eigentliche Übermittlung und die Rückmeldung an den Auftraggeber (positiv oder negativ). Wird eine Zahlung versehentlich doppelt vom Kunden in Auftrag gegeben, dann gibt es auch in diesem Fall etablierte Prozesse, Systeme und Meldungen, um den Schaden wieder zu beheben. Dies sind nur einige wenige Überlegungen, welche bei einer reinen Betrachtung "wir machen es jetzt über die Blockchain" in der Regel nicht gemacht werden.
Unsere Erfahrung zeigt, dass sich der Einbezug von Experten im Zahlungsverkehr bereits in einer frühen Projektphase lohnt. Selbst wenn wir in den Augen der "jungen Wilden" am Anfang zunächst als etwas verstaubt, ewig gestrig und spielverderbend wahrgenommen werden, so setzt sich mit der Zeit der Respekt gegenüber dem Detailwissen durch und offensichtlich übersehene Hürden werden dankbar ins Konzept integriert. Für unsere Auftraggeber, in der Regel auch die Projektsponsoren, sind wir eine Qualitätskontrolle, welche ein FinTech-Projekt im Zahlungsverkehrsumfeld zu passieren hat. Denn es geht, wie bereits erwähnt, in der Zwischenzeit um signifikante Budget-Posten, die aus dem bereits mageren Change-Anteil der IT-Kosten einer Bank priorisiert werden müssen.
Dieser Blog wurde von Carsten Miehling gepostet
#Innovation #DigitalFinanceExperts #NewVentures #ExpertValidation
Sehr gut, ich kann dazu noch folgenden Artikel empfehlen: Landet Pepper wieder in der Ecke wie bei der Zürcher Saxo Bank? https://www.finews.ch/news/banken/32331-roboter-pepper-hsbc-saxo-softbank
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