#quergedacht: Schweizer Fintech - Was kommt nach dem Hype auf uns zu?

Der nachfolgende Blog fasst die Ergebnisse einer Studie der Zürcher Kantonalbank vom 18. September 2017 zusammen, setzt sie in den praxisbezogenen Kontext der eigenen Kundenmandate
und interpretiert ausgewählte Passagen und Aussagen.

Bei der kürzlich erschienenen Research Publikation der Zürcher Kantonalbank lässt zunächst einmal schon der Titel aufhorchen. Da scheint also die grösste Kantonalbank der Schweiz der Meinung zu sein, dass das Thema Fintech nur ein Hype ist und wir in Kürze auf diesen, analog der Dotcom-Blase, verwundert und auch etwas amüsiert zurückblicken werden? Im Sturm der aktuellen Nachrichten rund um das Thema in den sozialen Medien, wo echte und selbsternannte Experten mit Schlagworten wie „Blockchain“, „Distributed Ledger“, „Smart Contracts“, „Artificial Intelligence“ und ähnlichem sich zu profilieren versuchen, kommt die Message der Studie schon fast provokativ oder zumindest aufreizend beim Fintech-interessierten Leser an.

Wir haben uns folgende vier Kernthesen zur näheren Betrachtung herausgesucht:

„Fintech wird Spuren hinterlassen“
Für echte Fintech-Aficionados ist eine solche Feststellung seitens einer etablierten Staatsbank bereits der Beweis dafür, dass die meisten Vertreter der hiesigen Institute die Bedeutung und die Heftigkeit der aktuell angelaufen „Disruption“ (ein ebenfalls inflationär benutzter Begriff) in der Finanzindustrie völlig unterschätzen. Nichtsdestotrotz, es ist in der Tat so, dass heute auch gestandene Banker über das Thema Digitalisierung in ihrer Branche weit besser informiert sind als noch vor zwei bis drei Jahren, aktuelle Entwicklungen erkennen und diese auch ernst nehmen.

„Unseres Erachtens nach wird Fintech hauptsächlich in der Kundeninteraktion eingesetzt werden.“
An dieser Stelle gehen die Autoren wohl zu wenig weit. Sie beschreiben vielmehr die aktuelle Wahrnehmung, jedoch nicht das eigentliche Potential. So werden dann auch Beispiele der digitalen Kontoeröffnung oder die Online-Hypothek erwähnt; Prozesse, die schon gefühlt seit Jahren umgesetzt sind. Wir von PPI sehen die grössten Nutzenpotentiale in der Digitalisierung und Automatisierung von Backend-Prozessen. Insbesondere im Umfeld des Corporate Bankings, mit heute noch sehr komplexen und manuellen Abläufen, werden Lösungen entwickelt werden.

„Möglicherweise werden Fintech-Unternehmen in einzelnen Bereichen die Banken konkurrenzieren. Aktuell fehlt ihnen allerdings die breite Kundenbasis, welche die Banken schon haben.“
Dem kann man aus heutiger Sicht sicher beipflichten. Sogar im so erfolgreichen Einsatz von Fintech im Retail Banking ist es den Lösungsanbietern bis heute nicht gelungen, substantiell Vermögen und Kunden von den Banken abzuziehen. Die Konten und Depots von Herrn und Frau Schweizer sind nach wie vor bei der Bank und auch für den Zahlungsverkehr fristen die Lösungen von TWINT, Apple Pay und Konsorten noch ein Schattendasein. Ebenso ist die Killer-Applikation auf Basis der Blockchain-Technologie noch nicht in Erscheinung getreten.

„Trotz der Aufmerksamkeit, die Fintech in den letzten Jahren auf sich gezogen hat, ist der Fintech-Einfluss auf die Erfolgsrechnung von Banken kaum bemerkbar.“
Die vierte Aussage ist letztlich eine Konsequenz der dritten. Man könnte hier natürlich wiederum die Ignoranz oder Arroganz der Banken ins Feld führen, was aber auch zu einfach wäre. Das Interessante an den Kernaussagen der ZKB-Studie ist, dass sie zu sehr ähnlichen Schlüssen kommt wie die renommierte WEF-Studie vom August 2017 „Beyond Fintech: A Pragmatic Assessment Of Disruptive Potential In Financial Services“. Auch hier stechen vier Kernaussagen ins Auge:



  1. Fintechs haben den digitalen Innovationsprozess aktiv angestossen und beeinflusst
  2. Fintechs haben die Anforderungen an neue kundenfreundliche User-Interfaces stark erhöht
  3. Fintechs konnten noch nicht in hohem Masse Kunden der Banken abwerben
  4. Fintechs konnten noch nicht eigene, von Banken unabhängige, Ökosysteme etablieren

Fazit: Die Studie wiederspiegelt die aktuelle Haltung und Denkweise der Mehrheit der etablierten Finanzinstitute. Die von vielen Fintech-Experten propagierte Revolution (oder eben Disruption) im Banking ist noch nicht eingetreten. Anstelle der Kompetition tritt aktuell eher eine Kooperation der etablierten mit den neuen Akteuren. Die Entwicklung wird unserer Meinung nach weitergehen und viele der ursprünglich anvisierten Ziele werden auch erreicht werden. Es wird Innovationen geben, die wir heute noch nicht voraussehen und der Regulator wird hier seinen Einfluss weiter wahrnehmen und noch ausbauen. Für einen „... was kommt nach dem Hype auf uns zu?“ ist es aber definitiv noch zu früh. Möglicherweise hat der Hype gerade erst begonnen.

Quergedacht hat Carsten Miehling.


#FinTech, #DigitalBanking, #Digitalisierung

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