SwatchPAY! – die berühmte Plastikuhr wird zum Plastikgeld

Wir freuen uns, dass wir die Gelegenheit bekommen haben, uns in Biel mit Swatch über die seit Anfang Jahr auf dem Schweizer Markt erhältliche Payment-Lösung SwatchPAY! zu unterhalten.

Imposant ragt die neue Holzdachkonstruktion des Architekten Shigeru Ban über den Eingang des neuen Swatch Hauptsitzes an der Nicolas-G.-Hayek-Strasse in Biel. An der Drehtür wird noch gearbeitet, Handwerker wuseln herum und nehmen letzte Einstellungen an der Elektronik vor, optimieren Zugangsschranken oder dichten eingesetzte Glasscheiben ab. Der neue Firmensitz ist noch nicht ganz fertig – und doch wirkt die bahnbrechende Architektur bereits jetzt einladend, cool und attraktiv.

Wir treffen im Raum „Goldfinger“ Alain Villard, den Brand Manager von Swatch Schweiz, zum Interview. Und auch wenn das Sitzungszimmer nicht aussieht wie das Office von „M“ oder James Bond, so macht alleine die Namensgebung neugierig und Lust auf mehr.


Sehr geehrter Herr Villard, herzlichen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen, mit uns über SwatchPAY! und den Schweizer Markt zu sprechen. Sie lancieren in der Schweiz SwatchPAY!, was genau darf ich mir als Endkunde darunter vorstellen?

Weniger eine ausgeklügelte Strategie oder einen Masterplan als vielmehr die Lust als Marke immer wieder innovative Produkte auf den Markt zu bringen und unsere Kundschaft damit zu überraschen. Das haben wir auch in den vergangenen Jahren stets so gemacht. Jedes Jahr kamen wir mit zwei oder sogar drei neuen Produktlinien auf den Markt. Vor SwatchPAY! lancierten wir im vergangenen Oktober mit grossem Erfolg Swatch by You, die personalisierte Uhr. Und SwatchPAY!, die Uhr mit Bezahlfunktion, ist etwas, das wir im Juni 2017 sehr erfolgreich in China auf den Markt gebracht haben. Interessanterweise treffen wir damit den Nerv der Zeit. Dieses Produkt haben unsere Kunden so nicht von uns erwartet und das generiert schon mal ein gewisses Mass an Aufmerksamkeit. Es geht uns aber nicht darum, in Wettbewerb mit andern Marken zu treten, die ebenso - auf ihre Weise - eine Bezahlfunktion am Handgelenk anbieten, sondern es ist ein Service, eine zusätzliche Funktion, die wir unseren Kunden anbieten.

Der Erfolg einer solchen Payment-Lösung hängt nicht zuletzt von einem einfachen Onboarding-Prozess ab. Wie funktioniert der bei SwatchPAY! und welche Voraussetzungen muss der Kunde dafür erfüllen?

Sie können in eine von aktuell 29 dafür eingerichteten Verkaufsstellen in der Schweiz gehen, suchen sich eines der momentan vier Modelle von SwatchPAY! aus und laden auf Ihrem Smartphone die SwatchPAY! App herunter. Weiter sollten Sie bereits im Besitz einer Zahlungskarte von Mastercard sein, herausgegeben von einem der folgenden Unternehmen: Cembra Money Bank, Cornèrcard, Credit Suisse, Swiss Bankers, Swisscard, UBS, Viseca oder Wirecard - bald wird übrigens auch Visa hinzukommen und vielleicht auch American Express, das werden wir sehen. Das Onboarding wird dann direkt vor Ort im Swatch Store gemacht. Dafür nutzen Sie die im Laden installierte SwatchPAY! Box. Als erstes öffnen Sie die App, generieren sich ein Login und erfassen Ihre Zahlungskartenangaben. Dazu können Sie aus der App heraus die Zahlungskarte ganz einfach scannen. Dann scannen Sie mit der App den QR-Code auf der SwatchPAY! Box und positionieren die Uhr auf das dafür vorgesehene Feld. Die Uhr synchronisiert sich nun mit den Zahlungskarteninformationen der App. Es wird also ein Token auf Ihrer Uhr erzeugt, der an Ihre Zahlungskarte gekoppelt ist. Dieser Prozess dauert nur wenige Minuten. Sobald der Token generiert ist, ist ihre Uhr einsatzfähig und Sie können sofort damit bezahlen.

Ist es möglich, mehrere Uhren mit einer Mastercard zu tokenisieren?

Ja, das geht. Das Gegenteil ist jedoch nicht möglich. Sie können nicht mehrere Zahlungskarten auf der gleichen Uhr hinterlegen. In der App verwalten Sie, bei welcher der Uhren Sie die Bezahlfunktion gerade aktiv haben möchten. Sie haben hier also ganz einfach die Möglichkeit, den Token auf der Uhr sofort zu sperren.

An welche Zielgruppe richtet sich SwatchPAY! ?

An Alle (lacht). Wir haben das Glück, dass wir eine sehr breit gestreute Kundschaft haben, von ganz jung bis ganz alt, das war schon immer so. Das heisst, wir wollen unseren Fokus mit SwatchPAY! nicht unnötig einschränken. Trotzdem müssen wir hier klar sein: die Millennials sind schwieriger zu bekommen als vielleicht andere Generationen und es ist natürlich klar, dass das eine Zielgruppe ist, die wir als Mehrwert sehen. Durch SwatchPAY! eröffnen sich für uns aber auch neue Kundensegmente wie z.B. Bankangestellte, die reissen uns die Uhren geradezu aus der Hand. Wir haben dank SwatchPAY! in den letzten zwei Monaten sehr viele neue Kunden gewonnen.

Was hat die Marke Swatch bewogen überhaupt ins Bezahlbusiness einzusteigen?

Das ist gar nicht so neu für Swatch. Wir sind vor über 20 Jahren mit dem Chip-Konzept gestartet. Wir hatten Ende der 90er Jahre Swatch Access lanciert, eine Uhr auf der man z.B. den Ski-Pass speichern konnte. Wir haben das mit dem Chip somit nicht neu erfunden. Auch Tickets für Stadionbesuche konnte man auf der Uhr hinterlegen. Und vor drei Jahren brachten wir die Swatch Bellamy Uhr auf den Markt, mit der man bereits bezahlen konnte. Swatch Bellamy war jedoch ein ganz anderes Konzept als die heutige SwatchPAY!. Die Idee damals war gut, aber das Konzept war zu kompliziert. Es lief über eine hinterlegte Prepaid-Karte, bei der leider jedes Aufladen Spesen verursachte.

Ich bekomme durch diese Uhr also einen Bezahlchip ans Handgelenk, der im Prinzip das Gleiche kann wie die EC- oder Kreditkarte in meiner Tasche, nämlich kontaktlos bezahlen. Warum glauben Sie, brauche ich das als Konsument resp. warum muss eine Uhr bezahlen können?

Unser Ziel ist es, den Bezahlvorgang so einfach wie möglich zu machen. Ich benutze SwatchPAY! nun seit 6 Monaten (ich war einer der Tester) und ich muss Ihnen sagen, dass es Spass macht und dass das Handling viel einfacher und auch sicherer ist als wenn ich jedes Mal meine Karte ziehen muss. In der Vergangenheit liess ich meine Kreditkarte immer mal wieder zuhause liegen, das passiert mir heute nicht mehr (lacht).

Bei der Entwicklung des Produktes dachten wir vor allem daran, wie wir unseren Kunden einen Mehrwert bieten können, der sehr bequem und auch einfach im Umgang ist. Und das haben wir geschafft, der Aufwand am Verkaufspunkt ist viel geringer. Nehmen wir an, Sie sind in einem Club an der Bar und müssen bezahlen. Die Uhr können Sie selbst dann ans Lesegerät halten, wenn Sie zwei Drinks in den Händen halten. Zudem ist es viel sicherer, denn normalerweise haben Sie die Kreditkarte nicht am Handgelenk festgebunden und falls die Uhr tatsächlich abhandenkommen sollte, können Sie den Token sofort via Smartphone sperren. Sie müssen dafür nicht mal Ihre Bank anrufen.

Sie haben sich bei SwatchPAY! für ein hinterlegtes Kreditkartenschema entschieden, was von der Technologie her nicht neu ist. Sie sprachen vorhin über innovative Produkte, das führt natürlich zur Frage, warum Swatch hier nicht viel weitergegangen ist und etwas ganz Eigenes entwickelt hat?

Ich bin weder Ingenieur noch zuständig für die Produktabteilung, von daher kann ich Ihnen diese Frage nicht vollumfänglich beantworten. Aber als Zuständiger für den Schweizer Markt kann ich Ihnen sagen, dass wir schnell sein und etwas Einfaches anbieten wollten. Bestimmt gibt es noch sehr viele Ideen, die vielleicht weiterführend sind, aber Sie müssen verstehen, dass wir uns hier nicht im Smartwatch-Bereich bewegen, das war nie direkt unser Ziel. Swatch war immer ein buntes Accessoire. Bei uns muss es einfach und erschwinglich sein. Und die vorliegende Lösung bekommen Sie zu einem absolut genialen Preis. Andere Angebote, die mehr Entwicklungsarbeit, mehr Aufwand erfordern, würden wir Ihnen ziemlich sicher nicht zu einem Preis von unter hundert Franken bieten können. Aber genau das wollten wir unbedingt.

Sie haben den Preis angesprochen, eine SwatchPAY! bekommt man zu einem geringfügig höheren Preis als die meisten Ihrer normalen Uhren. Glauben Sie, dass der Bezahlchip generell zu einem Standard werden wird in sämtlichen Modellen?

Die Swatch New Gent, die der gleichen Grösse entspricht wie die SwatchPAY! Uhren, bekommen Sie für 75 Franken, während Sie für die SwatchPAY! 85.- bezahlen. Das heisst, die SwatchPAY! ist tatsächlich nur zehn Franken teurer. Mittel- und langfristig gesehen wäre es sicherlich ideal, wenn wir jedes Swatch Modell mit der Bezahlfunktion ausrüsten könnten. Der Kunde kann dann frei wählen, ob er eine klassische Swatch Uhr oder vielleicht doch lieber eine Swatch Irony (Edelstahluhr A.d.R.) haben möchte. Zurzeit ist es aber noch nicht soweit. Die Schweiz ist nach China das zweite Land weltweit in dem wir SwatchPAY! lanciert haben. Wir planen zudem Rollouts für 2019 in mehreren Ländern in Europa sowie in Amerika. Unsere Ingenieure und die Produktabteilung überlegen bereits jetzt, wie wir in absehbarer Zeit die Bezahlfunktion in möglichst viele weitere Uhrenmodelle einbauen können.

Ich habe gelesen, dass es unter Umständen gar nicht so einfach sein soll, aufgrund der Bauart des Chips und der NFC-Antenne, kleinere Uhren damit auszurüsten und somit auch feinere Handgelenke bedienen zu können. Ist die Technik vielleicht auch gar noch nicht soweit?

Ja, das habe ich auch gehört, diese Frage taucht immer mal wieder auf. Und die Antwort, die die Entwickler darauf geben ist tatsächlich, dass die Antenne einen gewissen Platz braucht. Im Moment bedingt das also die vorliegende Uhrengrösse. Aber das schliesst nicht aus, dass wir in Zukunft auch feinere Uhrenmodelle damit ausstatten können. Und ich möchte in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass wir historisch gesehen mit Swatch New Gent, der Modellvorlage für SwatchPAY!, extrem viel Erfolg auch bei Frauen hatten. Der Gehäusedurchmesser beträgt 41mm. Und von den vorliegenden vier SwatchPAY! Modellen sind mindestens zwei sehr weiblich. Es ist eher das Gegenteil der Fall. Bei uns melden sich Männer, die sich männlichere Modelle mit inkludierter Bezahlfunktion wünschen, und das werden wir nun in den nächsten Monaten umsetzen.

Inwiefern achten Sie bei der Lancierung von SwatchPAY! in einem neuen Markt auf Statistiken, die den Anteil an Bargeldtransaktionen im jeweiligen Land beschreiben?

Das ist eine gute Frage. Natürlich sind solche Informationen interessant, aber für unsere Zwecke eher zweitrangig. Bei der Lancierung von SwatchPAY! spielt vor allem eine Rolle, wie viele Karten-Issuer es auf dem jeweiligen Markt gibt und wie viele Kunden die haben. Je weniger Player mit vielen Kunden, desto interessanter für uns. Und dann achten wir natürlich auch darauf, wie stark die Marke Swatch in dem jeweiligen Markt ohnehin schon ist. Das spricht zum Beispiel für Italien und Frankreich, aber eher weniger für die nordischen Staaten, obwohl gerade in Schweden sehr oft bargeldlos bezahlt wird.

Die App, die es braucht, damit die PAY-Funktion der Uhr genutzt werden kann, hat Swatch entwickelt. Darin fülle ich meine Zahlungskarteninformationen ab und erzeuge beim Onboarding-Prozess den entsprechenden Token auf der Uhr. Kann ich als Kunde in der App die getätigten Transaktionen sehen?

Nein, die sehen Sie im Moment noch nicht. Die Funktion existiert aber, sie war nur noch nicht fertig für die Lancierung am 17. Januar. Wir wollten mit dem Produkt unbedingt auf den Markt und haben die App deshalb ohne dieses Feature gebracht. Das wird aber sehr bald kommen, es ist nur noch eine Frage von Wochen. Sie werden dann in der SwatchPAY! App jedoch lediglich diejenigen Transaktionen sehen, die Sie mit der Uhr vorgenommen haben. Während Sie natürlich in der App Ihres Kartenherausgebers alle Transaktionen sehen können, unabhängig davon, ob Sie mit der Uhr oder mit der Karte bezahlt haben.

Apple bringt nach der AppleWatch und ApplePay nun eine eigene Kreditkarte heraus. Es werden neue Features versprochen wie z.B. eine Ausgabenanalyse und Fraud-Protection. Klingt sowas für Swatch verlockend oder befinden Sie sich da wo ganz anders?

Wie bereits gesagt möchte ich unsere Produkte nicht mit Apple vergleichen, weil die Produktstrategien grundsätzlich verschieden sind. Schon die Preise sind nicht zu vergleichen. Zudem glaube ich, dass Apple in der Schweiz nicht alle Issuer von Mastercard überzeugen konnte, während die alle bei uns mitmachen. Klar haben wir in der Schweiz ein Renommee, und ich nehme an, das hat natürlich geholfen.

Unser Produkt hält, was es verspricht, es ist einfach im Handling und sehr sicher. Die Uhr verbindet sich weder mit dem Smartphone noch mit dem Internet. Und wir haben keinen Zugriff auf die Informationen der Kunden, das wollen wir auch nicht und das wird auch so bleiben.

Herr Villard besten Dank für dieses Gespräch.


Dieses Interview wurde von  Matthias Hungerbühler geführt.

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