PPI im Gespräch mit Kitro


PPI Schweiz und der Digital Finance Experts Blog sind bekannt für die Nähe zum Zahlungsverkehr. In diesem Blog haben wir etwas über den Tellerrand hinaus geschaut und waren bei Kitro, um mehr zum Thema Start-up-Dasein, Innovation und Umweltschutz zu verstehen.

Erst kürzlich hat das Bundesamt für Umwelt 5 Studien über die Lebensmittelverschwendung in der Schweiz präsentiert (siehe Bericht SRF). Schweizer Haushalte alleine werfen pro Jahr eine Million Tonnen Lebensmittel weg, insgesamt sind es 2.6 Millionen. Die Schweiz hat sich verpflichtet, bis 2030 50% weniger sog. food waste zu produzieren. Aber wie lassen sich die Abfälle überhaupt effizient messen? Eine Lösung bietet Kitro. Vor kurzem traf ich mich deshalb mit Naomi McKenzie, der Co-Gründerin des Lausanner start-ups.

Ich treffe Naomi in einem verlassen wirkenden Gebäude auf dem Siemens Areal in Albisrieden. Die 8 Mitarbeiter haben dort ein grossräumiges Büro inklusive der start-up-üblichen Couch-Ecke und dem Tischkicker. An einer Wand hängt ein grosses Poster mit bisherigen Kunden und zukünftigen Partnerschaften. Darunter sind grosse Lebensmittelkonzerne, Hotellerien und Kantinen-Zulieferer. Es mangelt also nicht an Arbeit, wie mir Naomi verrät. Das Interview führen wir dann in Englisch.

Hi Naomi, danke für die Einladung. Lass mich dich und dein Unternehmen erstmal etwas kennen lernen: Was macht ihr?

Hi, also wir sind Kitro, Abkürzung für Kitchen Hero, und wir automatisieren den Prozess der Messung von Lebensmittelabfällen in Restaurants, Kantinen und Hotel-Gruppen.

Wir kommen aus dem Gaststätten-Gewerbe und mussten dort erfahren, dass viele Lebensmittel weggeworfen werden. Wir sahen auch, dass es in Grossküchen schwierig ist, zu messen, was und wie viel weggeworfen wird. Bei Kitro nutzen wir Bilderkennungsverfahren und machine learning, um den ganzen Prozess zu automatisieren und nachvollziehen zu können, was wann und wieviel davon weggeschmissen wird.

Und wie funktioniert das?

Wir haben ein Hardware-Gerät entwickelt: Eine Waage platzieren wir unter der Abfalltonne, in die die Lebensmittel wandern. Darüber kommt eine Kamera. Dieses IoT-Gerät reicht die erfassten Daten an unsere Software weiter. Dort werden die Daten verarbeitet und dem Kunden auf einem Dashboard zur Verfügung gestellt.

Wie detailliert werden denn die Bilder verarbeitet?

Bis auf das einzelne Objekt genau. Der Algorithmus findet heraus, ob es sich um einen Apfel oder eine Birne handelt oder um Reis oder Quinoa. Auch ob es sich um den essbaren oder nicht essbaren Teil handelt. Je mehr Bilder der Algorithmus erhält, desto genauer werden die Analysen. Aber natürlich müssen die Objekte optisch unterscheidbar sein: Zwischen Joghurt und Sauerrahm kann nicht unterscheiden werden. Deshalb sucht die Software nur nach Lebensmitteln, die tatsächlich vom Kunden verwendet werden.



Die Software macht also die Lebensmittelverschwendung sichtbar. Aber wie lässt sich aus der Sichtbarkeit eine Reduktion erreichen?

Grundsätzlich ist es schwierig, den Abfall zu reduzieren, wenn man nicht weiss, woher er kommt. Und selbst Unternehmen die glauben, gut Bescheid zu wissen, können selten belastbare Daten oder Kosten angeben. Wenn man aber die Daten hat, ist es viel einfacher, das Management von Veränderungen im Einkauf und in den Prozessen zu überzeugen. Werden z.B. bestimmte Kombinationen regelmässig zusammen weggeworfen, oder landen bestimmte Lebensmittel zu bestimmten Zeiten häufig im Müll, kann man daraus lernen.

Hatten eure Kunden schon vorher Prozesse zur Messung des Abfalls?

Einige messen einmal jährlich für 4 Wochen. Das ist häufige Praxis in der Schweiz. Das Problem dabei ist, dass die Mitarbeiter in dieser Zeit ihr Verhalten ändern können. Ausserdem gibt es sehr viele Variablen, die den Abfall beeinflussen, und in einer kurzen Zeit schafft man es nicht, all diese Informationen zu erfassen.

Und wie messen die Unternehmen?

Manuell, mit Waagen und Excel-Sheets.

Ihr digitalisiert also einen Prozess, den es analog schon gibt?
Genau

Welche Kundengruppen habt ihr?

Wir arbeiten mit Kantinen, Restaurants, Universitäten, Spitälern und Hotelgruppen.

Und Banken?

Bisher nicht

Und was sind eure Pläne für die nächsten Jahre? Ich bin zum Beispiel beruflich oft in Hotels. Wenn ich wüsste, dass z.B. Mercure Hotels ihre Lebensmittelabfälle reduzieren, dann wäre das für die Hotels ein Image-Gewinn und ich hätte ein gutes Gewissen.
Genau. Immer mehr Menschen treffen Entscheidungen, etwa im Bereich Tourismus, auf Grundlage des ökologischen Einflusses. Daher wollen wir definitiv eine Zertifizierung etablieren und einen Standard aufbauen. Wir hoffen, dass unsere Daten aus den verschiedenen Unternehmen helfen, Standards festzulegen. Man könnte beispielsweise für Kantinen einer bestimmten Grösse definieren, wieviel Lebensmittelabfälle sie maximal produzieren sollten. Wir können ausserdem dabei helfen, den ökonomischen und ökologischen Fussabdruck zu bestimmen – z.B. durch die Messung der CO2-Bilanz der weggeworfenen Lebensmittel.

Das sind ja schon recht umfangreiche Ideen, danke dafür! Noch zu ein paar Bank-spezifischen Fragen: Wie bezahlen denn die Kunden gegenwärtig?

Wir arbeiten mit monatlichen Abos. Online Payments direkt über das Dashboard werden sicher ein nächster Schritt sein.

Welche Geschichte habt ihr mit Banken?

Also finanziert werden wir von privaten Investoren und über Subventionen. Wir sind aktuell für Banken noch zu klein und zu riskant. Unsere Hausbank ist die Credit Suisse und die treffen wir ab und zu, um über das start-up-Leben zu plaudern. Wir kennen sie über die Kickstart Accelerator Events. Wir nutzen darüber hinaus Bexio – wie wohl die meisten start-ups. Damit sind wir recht zufrieden.

Alles klar. Ich denke, wir haben einen guten Einblick erhalten. Hast du noch etwas, was du uns mitgeben willst?

Wir möchten Awareness für das Thema schaffen. Wir freuen uns, falls sich eine Bank mit uns austauschen möchte und hoffen natürlich, dass wir bald auch mit Banken beziehungsweise mit deren Kantinen zusammenarbeiten können.

Kitro Team


Naomi, vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!


Dieses Interview wurde von Sebastian Strub geführt.

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