In unserer Reihe „Digital-Talk“ unterhalten wir uns mit Menschen, die die Digitalisierung als Chance sehen und ihr (Berufs-) Leben entsprechend verändern. Uns interessieren die Beweggründe, die aus diesen Menschen Visionäre machen. Die digitale Transformation wird dann greif- und erlebbar, wenn man sich mit den Individuen beschäftigt, die sie leben.
Wir sind heute zu Gast auf dem Hof Hinterburg von Adrian Haggenmacher in Meilen.
Guten Tag Adrian. Dein Hof funktioniert in vielen Belangen anders als ein herkömmlicher Bauernhof. Was erwartet mich hier und was war der Auslöser, den Hof so zu gestalten wie er heute ist?
Mir wurde dieses Denken in die Wiege gelegt, schon mein Grossvater und mein Vater waren der Zeit stets etwas voraus und liessen sich von neuen Herangehensweisen oder Technologien inspirieren. Dementsprechend werden wir einen hoch technisierten Milchviehstall sehen mit diversen Robotern (lacht).
Du hast einen Teil deiner Ausbildung in der Westschweiz genossen und warst 2 Jahre in Kanada und Australien, um Englisch zu lernen. Hat dir der Auslandaufenthalt die Augen geöffnet, wie man Landwirtschaft vielleicht auch betreiben kann?
Das war ein wesentlicher Teil. Also in der Lehre, da war ich vielleicht zu jung, da war es noch schwierig die grösseren Zusammenhänge zu verstehen. Aber vor allem Kanada und Australien haben mich intensiv geprägt. Ich erfuhr dort aus erster Hand, dass es auch anders geht. Vieles von dem, was ich dort gesehen hatte, kann ich jedoch leider nicht übernehmen. In Australien hatten wir zum Beispiel 500 Hektare mit 300 Kühen auf einem Steppenboden..., das ist eine ganz andere Landwirtschaft als bei uns. Dennoch beeindruckte mich das nachhaltig. Und es führte dazu, dass ich bis heute neugierig bin und spannende Entwicklungen in diesem Bereich interessiert verfolge.
Du hast den Hof 2010 übernommen und 2015 mit dem Bau des neuen Milchviehstalles begonnen. Wie schwierig war es, deine Eltern und (vielleicht auch die Bank) von dem neuartigen Konzept zu überzeugen?
Finanziell wurde ich für den Neubau von meinen Eltern unterstützt. Da war ich zum Glück unabhängig vom Goodwill einer Bank. Vom Konzept her hatten mein Vater und ich eigentlich ähnliche Vorstellungen. Diskussionen gab es aber dennoch. Ich wollte unser Konzept, dass die Kuh möglichst selber entscheiden kann, wann sie z.B. fressen, melken oder schlafen möchte, konsequenter umsetzen als er. Den grössten Konflikt hatten wir aber betreffend der Marke des Melkroboters. Es gibt zwei relevante Fabrikate auf dem Markt, die sich in Details aber massiv unterscheiden. Er wollte das andere. Über ein Jahr hinweg gab es immer wieder Wortgefechte, bis ich dann sagte: “Ich übernehme den Hof und werde die nächsten 20 Jahre damit arbeiten, also machen wir es so wie ich es will!“ (lacht).
Mistroboter |
Bequemer wurde mein Leben nicht, aber entscheidend flexibler. Ich habe keine fixen Abläufe mehr, die jeden Tag genau gleich gemacht werden müssen. Ich muss nicht morgens um 06:00 Uhr und abends um 16:00 Uhr im Stall sein, sondern kann mir das freier einteilen und vielleicht auch erst um 20:00 Uhr im Stall vorbeischauen. Auch am Wochenende kann ich den Kontrollaufwand der Daten am Computer etwas reduzieren. So kann ich mir auch mal einen halben Tag freinehmen. Ich vermisse es jedoch, sicher jede Nacht durchschlafen zu können. Denn ungefähr einmal im Monat muss ich nachts um 03:00 Uhr in den Stall, um einen Roboter neu zu starten, weil das System sich aufgehängt hat oder er irgendwo dagegen gefahren ist. Das heisst, wenn du ein technisches Problem hast, das du nicht umgehend lösen kannst, dann rennst du vielleicht während einer Woche jede Nacht in den Stall. In solchen Fällen fluche ich dann schon auch gerne mal (lacht).
Arbeitest Du heute weniger als früher?
Die Arbeit ist vor allem anders geworden. Klar, die Technik erleichtert mir vieles und meine Arbeit ist körperlich weniger anstrengend als früher. Ich muss weniger mit der Mistgabel den Dreck wegräumen, stattdessen muss ich den Roboter neu programmieren, damit er die richtige Route abfährt. Die Technik stellt aber vor allem sicher, dass die Kühe 24/7/365 betreut und versorgt werden. So ist es nicht schlimm, wenn ich am Wochenende mal ein paar Stunden weg bin.
Wenn du laufend digitalisierst und automatisierst, ist dein Umsatz immer stärker von der Technik abhängig. Wie hältst du es mit der IT-Sicherheit, wie stark beschäftigt dich dieses Thema?
Ich habe hier den Vorteil, dass es niemandem was bringt, meinen Hof zu hacken, das ist eher ein kleiner Betrieb. Man könnte hier lediglich einsehen, welche Kuh wieviel Milch gibt und wie die Zusammensetzung ist. Vielleicht könntest du auch die Fahrbahn meines Mistroboters umprogrammieren. Aber mal ehrlich, was hast du davon? Ich glaube da etwas naiv an das Gute im Menschen und achte darauf, dass ich mit dem PC, mit dem ich alle Daten meines Hofes überwache, nicht im Internet surfe.
Ich habe hier den Vorteil, dass es niemandem was bringt, meinen Hof zu hacken, das ist eher ein kleiner Betrieb. Man könnte hier lediglich einsehen, welche Kuh wieviel Milch gibt und wie die Zusammensetzung ist. Vielleicht könntest du auch die Fahrbahn meines Mistroboters umprogrammieren. Aber mal ehrlich, was hast du davon? Ich glaube da etwas naiv an das Gute im Menschen und achte darauf, dass ich mit dem PC, mit dem ich alle Daten meines Hofes überwache, nicht im Internet surfe.
Ihr habt hier einen Hofladen und vertreibt die Produkte auch online über euren Webshop. Einen grossen Teil des Sortimentes produziert ihr selber, aber manches stammt auch von den Höfen in der Umgebung. Wie haben deine Nachbarn auf deine Webshop-Initiative reagiert?
Über den Webshop läuft noch sehr wenig. Das hätte ich gerne anders, aber ich konnte mich noch nicht ausreichend darum kümmern. Es kann gut sein, dass noch nicht alle meine Nachbarn hier wissen, was ich alles anbiete. Aber der Hofladen läuft gut und das Marktschwärmer-Projekt in Zürich auch. Letzteres ist eine Internetplattform, für die wir in Zürich einen Standort haben, wo die Kunden jeweils am Dienstagabend ihre Bestellungen abholen können. Die Leute bestellen und bezahlen über die Plattform und ich muss mit der Ware jeweils nur diesen einen Standort in Zürich anfahren. Wenn ich mal nicht liefern kann, weil wir die gewünschte Menge nicht verfügbar haben, dann erhalten die Käufer von der Plattform automatisch das Geld zurück. Zu mir kommen also nur die Beträge von den Waren, die ich tatsächlich ausgeliefert habe. Und weil die Zahlungsabwicklung hier ohne mein Zutun bereits im Vorfeld über die Plattform geleistet wird, gewinne ich Zeit und kann mich auch mal mit dem einen oder anderen Kunden unterhalten.
Am Marktschwärmer darf ich auch nur selber produzierte Waren verkaufen, während ich in meinem Hofladen und im Webshop auch Produkte von anderen Bauern anbiete. Jedoch sind dies weniger Produkte von den unmittelbaren Nachbarbetrieben, sondern von etwas weiter weg. Denn oft gibt es leider Eifersucht unter den Nachbarn. Mir ist es daher vor allem wichtig, mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die meine Visionen teilen.
Ein wichtiger Teil deines Hofes ist automatisiert und digitalisiert. Wo, glaubst du, geht die Reise in der digitalen Landwirtschaft hin resp. wo siehst du noch Entwicklungspotential?
Futterroboter |
Potential sehe ich auch bei der automatischen Bestellung von Futter oder Verbrauchsmaterialien für meinen Hof. Sobald eine bestimmte kritische Menge erreicht wird, wird automatisch nachbestellt.
Darüber hinaus kann ich mir vorstellen, auf dem Feld draussen in Zukunft verstärkt mit GPS zu arbeiten. Heute überschneiden sich meine Traktorbahnen auf dem Feld zwischen 20 cm bis hin zu mehreren Metern. Wenn ich aber künftig die Bodenbearbeitung, Saat, Pflege, Düngung und Ernte mit per GPS gesteuerten Fahrzeugen machen kann, dann gibt es diese Überschneidungen nicht mehr.
Auch denke ich, dass wir wieder zu Downsizing kommen. Bisher wurden immer grössere Traktoren gebaut, jetzt merkt man aber, dass die viel zu schwer werden und den Boden beschädigen. Ich glaube, in Zukunft werden wir vielleicht einen kleinen Schwarm an autonomen Traktoren haben, die miteinander kommunizieren. Auch die Menge des Düngers und Spritzmittels kann ich mit Hilfe von Sensoren und Kameras optimieren. Der Sensor vorne am Traktor erkennt, was alles Unkraut ist und die Düse hinten am Traktor sprüht anhand dieser Informationen punktuell nur dort, wo es nötig ist. Damit kann ich 98% einsparen und zudem garantieren, dass keine Spritzmittel in die Nahrungsmittel gelangen. Solche Anwendungsfelder werden in den nächsten Jahren verstärkt beworben und ausgebaut werden, sind aber zurzeit noch nicht praxisreif.
Sind Drohnen ein Thema für dich?
Für die Arbeit auf dem Feld kommt das für mich hier in der Schweiz nicht in Frage, da sind Traktoren besser und effizienter. Aber wo das Sinn macht ist zum Beispiel bei der Rehkitz-Suche. Bei hohem Gras habe ich keine Chance, beim Mähen die Rehe rechtzeitig zu sehen. Im Moment ist es so, dass Jäger am Tag vor dem Mähen hohe Stöcke in die Wiese stecken. Die Rehkuh merkt die Veränderung und holt ihr Kitz über Nacht raus. Das funktioniert ganz gut, ist aber sehr aufwändig. Mit der Drohne kann man sich sehr rasch und einfach einen Überblick verschaffen und ich sehe mit 100%iger Sicherheit, wo das Kitz liegt. Ich rechne bereits im nächsten Jahr damit, dass solche Drohnen bei uns zur Anwendung kommen werden.
Adrian Haggenmacher |
Dieser Anteil ist sehr klein, denn über den Webshop laufen gerade mal 5-10% vom Gesamtumsatz des Ladens, unabhängig welche Bezahlfunktion gewählt wird. Somit mache ich gegen 90% des Umsatzes hier vor Ort im Hofladen selber. Darum ist es mir wichtig, den Betrieb attraktiv zu machen für Besucher. Mein Ziel ist es, einen Erlebnisbauernhof mit Spielgerät für Kinder zu etablieren. So können Familien unter der Woche oder am Wochenende vorbeikommen, sich den Betrieb anschauen und hoffentlich kaufen sie dann auch im Hofladen ein. Im Moment bezahlt man dort noch bar, ich habe mir nun aber sumup zugetan. Allerdings muss ich das Lesegerät noch fertig einrichten, damit der Hofladen dann endlich bereit ist für Kartenzahlungen (lacht).
Ist Twint für dich auch eine Option?
Das kenn ich zu wenig. Ich denke aber nicht, dass das im Moment für mich und das Geschäft ein Mehrwert ist. Ich bin froh, wenn hier erstmal die Kartenzahlung im Hofladen funktioniert.
Ist neben dem Erlebnishof für Familien vielleicht auch der Ausbau des Webshops für dich ein erklärtes Ziel?
Das muss ein Ziel sein, denn der Online-Einkauf ist in meinen Augen die Zukunft. Im Moment fehlt es mir aber schlicht an der Zeit und am Knowhow. Und jemanden einstellen, der mir das macht, dafür bin ich noch zu klein, das rentiert sich für mich nicht.
Gibt es irgendeine (online-) Dienstleistung, die du dir zum Beispiel von deiner Bank für Deinen Betrieb oder das optimierte Handling wünscht?
Ich habe ein super Treuhandbüro mit einem sehr guten Online-Programm. Ich mache alle meine Zahlungen und Buchungen über dieses Tool und bin soweit glücklich damit. Natürlich muss auch das eBanking einfach und sicher sein. Da nervt mich manchmal der umständliche und wenig benutzerfreundliche Login-Prozess. Lange hatte ich so einen Token, der mir die Tan anzeigte. Mittlerweile habe ich das auf mein Handy umgestellt. Aber den Login-Prozess kann man hier bestimmt noch verbessern (lacht).
Lieber Adrian, ganz herzlichen Dank für dieses spannende Gespräch.
Dieser Blog wurde von Matthias Hungerbühler verfasst.
#DigitalTransformation #SmartFarming
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