PPI Top-Event - Oktober 2017


An einem wunderschönen Herbsttag in der letzten Oktoberwoche 2017 war es wieder einmal so weit. PPI organisierte für das Who is Who im Schweizer Zahlungsverkehr den in der Zwischenzeit berühmt - berüchtigten PPI Top Event. Das originelle Konzept zwischen Wissensvermittlung in Form von Kurzvorträgen mit anschliessendem ausgedehnten Networking fand bereits zum siebten Mal im Zunfthaus zur Hard statt und hat am späteren Nachmittag knapp hundert Branchenvertreter angelockt.



Die Organisatoren kämpften dieses Mal mit kurzfristigen Absagen seitens der Referenten, was zu einer kleinen Programmänderung in Bezug auf die Vortragsthemen führte. So machte Sophia Bantanidis von der Citigroup mit dem Thema RegTech den Anfang, gefolgt von Sebastian Scholz, welcher als Vertreter von PPI Cyber das jüngste Kind aus der Produktefamilie mit Namen Cysmo vorstellte. Carsten Miehling, Geschäftsleiter von PPI Schweiz, präsentierte zum Abschluss noch Auszüge aus der soeben fertiggestellten LEON-Umfrage.



Beim Thema RegTech ging Sophia zunächst einmal auf die Hintergründe zur Entstehung dieser relativ neuen Fintech-Branche ein und erklärte den Teilnehmern die Unterschiede der einzelnen Ausprägungen anhand von griffigen Definitionen. Als aktuelle RegTech-Marktführer heben sich Amerika und Grossbritannien vom Rest der Welt ab. Das kann insbesondere im Fall von Amerika auch mit der schier endlosen Anzahl von Regulierungen zu tun haben, welche nach der Finanzmarktkrise ab dem Jahre 2008 eingeführt wurden. In Bezug auf das in diese Branche investierte Investment-Kapital sticht China heraus.



Die Citigroup fördert FinTech und RegTech u.a. auch mit sog. „Sandboxes“. In einer geschützten Umgebung können Gründerfirmen ihre Ideen entwickeln und ausprobieren. Unter dem Schirm der Citigroup, welche die regulatorischen Rahmenbedingungen, Know-how und auch Kapital beisteuert, sollen neue Business -Modelle elaboriert werden. Vom Regulator selbst wird in Zukunft noch eine grössere Flexibilität erwartet. Konkret sollte es nach Meinung von Sophia Bantanidis Abstufungen in der Regulationstiefe entlang der verschiedenen Lösungen geben. Dies zum Wohle der gemeinsamen Kundschaft notabene.



Sebastian Scholz startete sein Referat mit einem Überblick über die bestehenden Prozesse bei Beurteilung von Cyber-Risiken. Ein besonderer Fokus wurde dabei auf das Rating von potentiellen Versicherungsnehmern von Cyber-Risiko-Policen im Versicherungsmarkt gelegt. Die heute weitverbreiteten Methoden der Beantwortung von Fragenkatalogen mit allfälligem zusätzlichem Audit vor Ort schaffen oft nicht die gewünschte Risiko-Transparenz und sind in der Regel auch zu aufwendig.



Hier setzt das Produkt Cysmo an, welches von Sebastian anhand eines Echtzeit-Ratings am Beispiel der Obwaldner Kantonalbank live demonstriert wurde. Mit der einfachen Eingabe der Internet-Adresse des zu bewertenden Unternehmens wurde der Analyse-Prozess gestartet. Ausgeklügelte Algorithmen, gepaart mit historischen statischen Daten, starten aus der Cloud die Analyse des Untersuchungsobjektes. Innerhalb von Minuten kann ein Nutzer von Cysmo eine Aussage über den Reifegrad bei der Bewältigung von Cyber-Risiken machen und identifizierte Schwachstellen aufzeigen.



Anlässlich der kürzlich fertig ausgewerteten Studie zu LEON präsentierte Carsten Miehling noch zwei, drei Kernaussagen zum aktuellen Stand. Es ergibt sich ein gewisser Widerspruch zwischen den bereits von den Instituten durchgeführten Projektarbeiten in Bezug auf den Einführungstermin vom vierten Quartal 2018. Viele Banken haben bis heute noch keine Arbeiten für LEON gestartet, sind aber dennoch zuversichtlich, dass in gut einem Jahr die Lösung eingeführt werden kann. Einige Teilnehmer der Studie kritisieren die scheinbar ungenügende Koordination zwischen den Akteuren und die spärliche Information auf dem hiesigen Finanzplatz. Fordern Sie die Studie jetzt unter www.leon.ch an.



Alle Teilnehmer der Studie (über fünfzig Banken) haben automatisch am Wettbewerb zur Verlosung des neuesten iPhones teilgenommen. Carsten Miehling verkündete zum Abschluss des offiziellen Teils den Gewinner und eröffnete punkt 18:00 Uhr den Apéro. Die Teilnehmer des Top Events kamen in Folge wiederum in den Genuss der äusserst variantenreichen und schmackhaften Apéro-Küche und der guten Weine vom Restaurant Werdguet. Die letzten Teilnehmer machten sich gegen Mitternacht auf den Heimweg, wohl mit der festen Absicht, auch beim nächsten Anlass am 19. April 2018 wieder dabei zu sein.






Die Slides zu den Keynotes können hier heruntergeladen werden:

1. Keynote von Sophia Bantanidis, Citi zu "RegTech: the state of the market, future developments and how Citi is"

2. Keynote von Sebastian Scholz, PPI Cyber "Die neuen Dimensionen in der Cyber-Riskobewertung"

PPI Schweiz lädt ein zum TopEvent - Herbst 2017

Traditionell öffnet das Zunfthaus zur Hard in Zürich am 26. Oktober seine Türen für den Herbst TopEvent von PPI Schweiz.

Traditionell werden zu diesem Stelldichein der Schweizer Zahlungsverkehrsbranche wieder über 130 Gäste erwartet. Und ganz traditionell freut sich der Gastgeber auf spannende Referate, unterhaltsame Musik und intensives Networking mit zahlreichen Gästen an diesem Oktoberabend.


So abwechslungsreich wie die Farben des Herbstlaubs verspricht auch das Programm zu werden:


  • Ruth Wandhöfer, Global Head Regulatory, Market & Innovation Strategy bei City, wird in ihrer Keynote zu PSD2: Auf dem Weg in eine digitale Zukunft gleich zu Beginn den Einfluss der Regulierung auf die Finanzbranche unterstreichen.
  • Daragh Kirby, Sales Director bei Intercope wagt mit SWIFT GPI - eine weitere Revolution im Zahlungsverkehr? einen durchaus interessanten Blick in die nicht allzu ferne Zukunft.
  • Sebastian Scholz, Geschäftsleiter von PPI Cyber wartet mit einer spannenden, innovativen Keynote zu Neuen Dimensionen im Cyber-Markt mit der ein oder anderen Überraschung auf unsere Gäste.

Ebenso mit Spannung erwartet wird die Vorstellung der Umfrage, welche PPI Schweiz vor wenigen Wochen zum Thema LEON - Lastschriften, E-Rechnung, Online, Neu durchgeführt hat.

Carsten Miehling und sein Team freuen sich jetzt schon auf eine tolle Veranstaltung, informative Vorträge und spannende Diskussionen bis zum Schluss.

Für Kurzentschlossene gibt es noch ein kleines Kontingent an freien Plätzen. Anmeldung direkt online auf https://www.ppi-schweiz.ch/ppi-schweiz/aktuelles-und-termine/topevent/

NextGenPSD2


Im Juni 2017 kündigte die NextGenPSD2-Initiative, eine dedizierte Task Force der Berlin Group, die Entwicklung einer offenen, gemeinsamen, harmonisierten europäischen Programmierschnittstelle (open, common and harmonised European API) an, um Drittanbietern (TPPs) den Zugang zu den Bankkonten (XS2A), basierend auf der neuen Zahlungsdiensterichtlinie PSD2, zu ermöglichen. Ziel der Initiative ist es, Drittanbieter bei der Entwicklung von innovativen auf modernen APIs basierenden Lösungen so zu unterstützen, dass der Zugang zu den Bankkonten gewährleistet wird, die Daten jedoch gesichert sind.



NextGenPSD2 will 

- die Komplexität von PSD2 XS2A reduzieren
- die Problematik der verschiedenen, sich konkurrierenden Standards adressieren
- eine maximale europaweite Interoperabilität und Erreichbarkeit ermöglichen,


indem sie einen einheitlichen Standard für eine europäische XS2A Schnittstelle zwischen den Banken und den Drittanbietern definiert.



Europäische Bankkunden könnten so von innovativen Produkten und Dienstleistungen (“Banking as a Service“) von Drittanbietern profitieren. Die Kunden gewähren den Drittanbietern mittels der APIs den sicheren Zugang zu ihren Bankkonten und Finanzdaten und erfahren so gleichzeitig auch ein neues reibungsloses Kundenerlebnis.



Der Standard, welcher als “Access to Account Framework“ entwickelt werden soll, wird Betriebsregeln, Implementation Guidelines, Nachrichtenmodellierung und Informationsflüsse, basierend auf der RESTful API Methode, einer Methode zur webbasierten Kommunikation zwischen Client und Server, anbieten.



Sowohl Private wie auch Firmen benutzen immer häufiger APIs (Programmierschnittstellen), um Daten zu teilen und zu konsolidieren. Dies führte dazu, dass APIs ein DeFacto Industriestandard wurden. Und jetzt, da die europäische Finanzindustrie unter PSD2 den Zugang zu den Kontoinformationen öffnen muss, sind gemeinsame APIs der sicherste und effizienteste Weg, um Daten sicher zur Verfügung zu stellen und dem Problem der sich konkurrierenden Standards zu begegnen.



Aus diesen Gründen stimmt sich auch die NextGenPSD2-Initiative mit den Zielen des Euro Retail Payments Board (ERPB, das von der Europäischen Zentralbank geleitete Nachfolgegremium des SEPA-Councils) ab.

Um sicher zu gehen, dass die Interessen aller Akteure abgedeckt sind, wurde der Standard, welcher immer noch in Entwicklung ist, am 27. September für die öffentliche Konsultation freigegeben. Mit dieser öffentlichen und transparenten Konsultation sollen alle Marktteilnehmer die Möglichkeit haben, an der Entwicklung eines ausgereiften Standards mitzuwirken, welcher sowohl die Marktbedürfnisse als auch anwendbares Recht und Regulationen berücksichtigt.
Der NextGenPSD2 - Standard ist seit dem 2. Oktober auf der Berlin Group Seite www.berlin-group.org/market-consultations verfügbar. Die öffentliche Konsultation endet am Freitag, 17. November 2017. Alle Beiträge werden im Anschluss an die Konsultation publiziert.


Wer ist NextGenPSD2?

Die Mitglieder der NextGenPSD2-Initiative arbeiten in einer einzigartigen Partnerschaft an der gemeinsamen Vision, in der offene und harmonisierte PSD2-XS2A-Schnittstellenstandards für Prozesse, Daten und Infrastruktur eine unabdingbare Notwendigkeit für einen offenen und leistungsfähigen Markt sind. Wahre Interoperabilität ist eine essentielle Komponente kompetitiver pan-europäischer PSD2-XS2A-Dienstleistungen, welche dazu beitragen, dass der Europäische Markt weiter zusammenwächst. Und davon profitieren letztlich die Zahlungsverkehrsbranche, wie auch Privat- und Firmenkunden. 
NextGenPSD2 setzt sich aus 39 Organisationen, Stand 3. Oktober 2017, aus EU - und Nicht-EU- Mitgliedstaaten aus den verschiedensten Bereichen des Bankings und des Zahlungsverkehrs zusammen. Auch SIX Payment Services zählt zu den Mitgliedern der NextGenPSD2 - Initiative.
Wichtig zu erwähnen ist auch, dass NextGenPSD2 weder an eine spezifische Bank(engemeinschaft) noch an einen spezifischen Dienstleister gebunden ist.


Was bedeutet NextGenPSD2 für die Schweiz?

Obwohl SIX Payment Services ein Mitglied der NextGenPSD2 - Initiative ist, konnte der Schreibende keine konkreten Aussagen bezüglich deren Beitrag an der Initiative finden bzw. welche Rolle für NextGenPSD2 auf dem Schweizer Finanzplatz vorgesehen ist.
Seitens SIX wird immer noch davon ausgegangen, dass PSD2 XS2A aufgrund der fehlenden gesetzlichen Rahmenbedingungen keine einheitliche und harmonisierte Würdigung erfahren soll/wird.
Andererseits ist SIX auch Mitglied von SFTI, Swiss Fintech Innovations (http://swissfintechinnovations.ch/). SFTI befasst sich mit einer Arbeitsgruppe an der Definition und Entwicklung von SOFA (Swiss Open Finance API), einer offenen, gemeinsamen Banken- und Finanz-Programmierschnittstelle.


Es stellt sich die Frage, ob es einen Austausch zwischen der NextGenPSD2 - Initiative und SFTI gibt, um den Standard für das Schweizer API an den europäischen Standard anzugleichen.

Leider erfolgte darauf bis zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Zeilen keine Antwort.
Die Stellungnahme der Schweizerischen Bankenvereinigung (http://www.swissbanking.org/de/themen/aktuell/20170707-5000-all-positionspapier-psd2.pdf) geht sogar noch weiter und lehnt eine Regulierung analog zu PSD2 bzw. eine gesetzlich erzwungene Öffnung der Zugriffsrechte für Dritte gänzlich ab.
Aus unserer Sicht wäre es wünschenswert, wenn der Schweizer Finanzplatz in Kürze eine verbindliche Zusage zu PSD2 XS2A machen und sich der diesbezügliche Standard am europäischen Standard von NextGenPSD2 orientieren würde.


Dieser Beitrag wurde von René Heusser gepostet.



#APIs, #DigitalBanking, #OpenBanking, #PSD2, #XS2A

Dollarization 2.0

Cashless, eGesellschaft, FinTech, AI, Blockchain, MobilePayment, DigitalFinanceExperts, PPISchweizChristine Lagarde, die Grande Dame des Internationalen Währungsfonds (IMF), präsentiert auf der Bank of England Conference erstaunlich offen ihre Gedanken. Unter dem Titel: “Central Banking and Fintech - A Brave New World?“ geht sie der Frage nach: “How will fintech change central banking over the next generation?“

Letzte Woche erst berichtete Carsten Miehling, CEO PPI Schweiz, an dieser Stelle, dass die grösste Kantonalbank in unserem Land Fintechs eher als Hype wahrnimmt und dieser Branche jetzt und auch in Zukunft kaum oder nur sehr geringe Marktanteile attestiert. Und nun kommt die höchste Währungshüterin der Welt und malt ein gegenteiliges Bild, nämlich eines mit Crypto Currencies und grossen Herausforderungen für das etablierte Bankensystem, inklusive der Zentralbanken. Sie glaubt an den Fortschritt, glaubt daran, dass neue Player am Verhandlungstisch Platz finden und gewisse alte Strukturen der Vergangenheit angehören werden. Sie zeichnet eine Welt, in der Menschen mühelos über Grenzen hinweg virtuell in Echtzeit bezahlen, ohne Clearing versteht sich. 

Welche der beiden Auffassungen letztlich recht behalten wird, zeigt uns die Zukunft. 

Lassen Sie uns aber erst einmal einen Blick in Frau Lagarde‘s Gedanken werfen. Ihren Vortrag stützt sie auf drei wichtige Teilgebiete: 


1. Virtual Currencies

Hier weist Frau Lagarde klar darauf hin, dass “VirtualC“ nicht einfach digitale Transaktionen in bestehenden Landeswährungen sind, sondern tatsächlich als eigenständige und ernstzunehmende Einheiten von Konten und Zahlungssystemen zu verstehen sind, die P2P-Transaktionen ohne das zentrale Clearing eines Bankhauses oder der Zentralbank ermöglichen. Im Moment spielen Bitcoin etc. noch eine untergeordnete Rolle, da der Kurs sehr volatil und ein Einstieg riskant sowie der Mining-Prozess energieintensiv ist. Ebenso sind “Virtual Currencies“ für Regulatoren undurchsichtig und einige Börsen wurden auch schon gehackt. Aber die meist technischen Herausforderungen werden im Laufe der Zeit gelöst und die Abwicklungsprozesse optimiert und vereinfacht werden. 

Auf lange Sicht kann diese Technologie gemäss Frau Lagarde nationale Währungen substituieren und wird in der Lage sein, ein Fragezeichen hinter das bestehende Bankensystem zu setzen. 


Geschickt bringt Frau Lagarde einen passenden Vergleich: “Not so long ago, some experts argued that personal computers would never be adopted, and that tablets would only be used as expensive coffee trays. So I think it may not be wise to dismiss virtual currencies."


Gerade für Länder mit einer schwachen eigenen Währung bergen diese digitalen Lösungen spannende Chancen. Das könnte für manche Regierung weitaus interessanter sein, als einfach eine Parallelwährung, wie z.B. den Dollar, zu akzeptieren. Man könnte diesen Prozess gemäss Frau Lagarde also Dollarization 2.0 nennen.


Stellen Sie sich zum Beispiel die wachsende Nachfrage nach neuen Zahlungsformen vor, gerade in Ländern, in denen die Ökonomie der dezentralen Dienstleistungen wächst und das vielleicht sogar auch über die Landesgrenze hinweg. Ein paar Dollar für einen Gärtner-Tipp aus Neuseeland, ein paar Euro für das Layout einer Arbeit etc. Heute bezahlt man solche Leistungen meist via Kreditkarte. Aber gerade bei kleinen Beträgen sind die Gebühren meist uninteressant hoch. Somit wird das Volk gemäss Frau Lagarde bald vermehrt nach virtuellen Währungen verlangen. Und wenn diese weiterhin unsicher und instabil sind, dann wird der Ruf an die Zentralbank laut, den Markt mit einer sinnvollen digitalen Lösung zu versorgen. 



2. New Models of Financial Intermediation
Frau Lagarde meint, dass wir künftig nur noch minimale Saldi für den anfallenden Zahlungsverkehr in unseren virtuellen Brieftaschen haben werden. Den Rest investieren wir via Fonds- und Peer-to-Peer-Plattformen, inklusive künstlicher Intelligenz für das automatische Kredit-Scoring. Solche Prozesse untergraben das herkömmliche Banking. “Data is King“ ist das neue Lösungswort dieser Welt und sie besteht aus vielen neuen Playern, die alle keine physische Anlaufstelle unterhalten. 

How would monetary policy be set in this context?

Heute funktioniert die Geldpolitik eines Landes, weil die Zentralbank die Banken mit Liquidität versorgt. Aber wenn die Banken generell weniger wichtig werden in der neuen Finanzwelt, wie kann dann eine effektive, zentrale Finanzpolitik aufrechterhalten werden? 
Immer mehr Player müssten reguliert und überhaupt erst einmal definiert werden. Wie benennen Sie ein Social Media Unternehmen, das Zahlungsdienstleistungen anbietet, aber keine aktive Bilanz führt? Ist das eine Bank? 

Cooperation is key

Das weitere Vorgehen muss in erster Linie auf Dialog basieren. Gestandene Regulatoren müssen sich mit ihren jungen Kollegen, die sich mehr mit Algorithmen als mit wirklichem Geld befassen, an einen Tisch setzen und Erfahrungen austauschen. Zentralbanken müssen sich über die Landesgrenzen hinweg gegenseitig über Entwicklungen informieren und rechtliche Fragen miteinander angehen. Die neuen Währungen stehen nicht wie Währungen bisher für nationale Einheiten, sondern für internationale Aktivitäten. 
Frau Lagarde bietet hier den IMF als Diskussions-Plattform an und appelliert dafür, dass neue Player am Tisch zugelassen werden. 


3. Artificial intelligence

Untersuchungen zeigen, dass nahezu 90% aller zur Verfügung stehenden Daten in den letzten zwei Jahren gesammelt wurden. Und wir sprechen hier nicht nur von Arbeitslosenzahlen oder Wetterdaten, sondern von ganz eigenen Verhaltensdaten von jedem einzelnen Homo Ökonomikus. Und diese Daten werden immer wertvoller, weil wir sie mit künstlicher Intelligenz koppeln und auswerten können. 
Und was bedeutet das für die Finanzpolitik? Gute Finanzpolitik ist meist dann erfolgreich, wenn sie klar erklärt wird, damit die Öffentlichkeit klare Erwartungen daraus ableiten kann. Oder können selbst das Maschinen übernehmen? So oder so, auch wenn Maschinen ihre Entscheidungen erklären könnten, wer kann dann dafür verantwortlich gemacht werden, wenn ökonomische Krisen aufkommen?
Verantwortlichkeiten definieren ist der Schlüssel. Ohne sie können wir keine Unabhängigkeit haben. Und ohne Unabhängigkeit scheitert die Politik oder wird irregeleitet. Das heisst, dass Maschinen eher nicht die Finanzpolitik übernehmen werden. 
Frau Lagarde schliesst mit den Worten: “I believe that we - as individuals and communities - have the capacity to shape a technological and economic future that works for all. We have a responsibility to make this work. That is why I prefer Shakespeare’s evocation of the brave new world in ‚The Tempest’: “O wonder! How many goodly creatures are there here! How beauteous mankind is! O brave new world.”

Mutig und zukunftsorientiert ist diese Rede. Frau Lagarde zeigt sich offen für neue Tendenzen im internationalen Zahlungsverkehr und beobachtet technische Entwicklungen genau. Wir von PPI Schweiz begrüssen diesen Fortschrittsglauben und gehen mit Frau Lagarde überein, dass sich Fintechs vielleicht rascher als einem lieb ist durchsetzen und spannende neue Lösungen anbieten werden. Protektionismus ist aus unserer Sicht hier fehl am Platz. Wer sich verzweifelt an Altem festklammert, verschwendet seine Energie und wird blind für die Zukunft. 


Hier finden Sie die Originalrede von Christine Lagarde

https://www.imf.org/en/News/Articles/2017/09/28/sp092917-central-banking-and-fintech-a-brave-new-world


Dieser Beitrag wurde von Matthias Hungerbühler gepostet.

#AI, #Dollarization, #CryptoCurrencies, #VirtualCurrencies

#quergedacht: Schweizer Fintech - Was kommt nach dem Hype auf uns zu?

Der nachfolgende Blog fasst die Ergebnisse einer Studie der Zürcher Kantonalbank vom 18. September 2017 zusammen, setzt sie in den praxisbezogenen Kontext der eigenen Kundenmandate
und interpretiert ausgewählte Passagen und Aussagen.

Bei der kürzlich erschienenen Research Publikation der Zürcher Kantonalbank lässt zunächst einmal schon der Titel aufhorchen. Da scheint also die grösste Kantonalbank der Schweiz der Meinung zu sein, dass das Thema Fintech nur ein Hype ist und wir in Kürze auf diesen, analog der Dotcom-Blase, verwundert und auch etwas amüsiert zurückblicken werden? Im Sturm der aktuellen Nachrichten rund um das Thema in den sozialen Medien, wo echte und selbsternannte Experten mit Schlagworten wie „Blockchain“, „Distributed Ledger“, „Smart Contracts“, „Artificial Intelligence“ und ähnlichem sich zu profilieren versuchen, kommt die Message der Studie schon fast provokativ oder zumindest aufreizend beim Fintech-interessierten Leser an.

Wir haben uns folgende vier Kernthesen zur näheren Betrachtung herausgesucht:

„Fintech wird Spuren hinterlassen“
Für echte Fintech-Aficionados ist eine solche Feststellung seitens einer etablierten Staatsbank bereits der Beweis dafür, dass die meisten Vertreter der hiesigen Institute die Bedeutung und die Heftigkeit der aktuell angelaufen „Disruption“ (ein ebenfalls inflationär benutzter Begriff) in der Finanzindustrie völlig unterschätzen. Nichtsdestotrotz, es ist in der Tat so, dass heute auch gestandene Banker über das Thema Digitalisierung in ihrer Branche weit besser informiert sind als noch vor zwei bis drei Jahren, aktuelle Entwicklungen erkennen und diese auch ernst nehmen.

„Unseres Erachtens nach wird Fintech hauptsächlich in der Kundeninteraktion eingesetzt werden.“
An dieser Stelle gehen die Autoren wohl zu wenig weit. Sie beschreiben vielmehr die aktuelle Wahrnehmung, jedoch nicht das eigentliche Potential. So werden dann auch Beispiele der digitalen Kontoeröffnung oder die Online-Hypothek erwähnt; Prozesse, die schon gefühlt seit Jahren umgesetzt sind. Wir von PPI sehen die grössten Nutzenpotentiale in der Digitalisierung und Automatisierung von Backend-Prozessen. Insbesondere im Umfeld des Corporate Bankings, mit heute noch sehr komplexen und manuellen Abläufen, werden Lösungen entwickelt werden.

„Möglicherweise werden Fintech-Unternehmen in einzelnen Bereichen die Banken konkurrenzieren. Aktuell fehlt ihnen allerdings die breite Kundenbasis, welche die Banken schon haben.“
Dem kann man aus heutiger Sicht sicher beipflichten. Sogar im so erfolgreichen Einsatz von Fintech im Retail Banking ist es den Lösungsanbietern bis heute nicht gelungen, substantiell Vermögen und Kunden von den Banken abzuziehen. Die Konten und Depots von Herrn und Frau Schweizer sind nach wie vor bei der Bank und auch für den Zahlungsverkehr fristen die Lösungen von TWINT, Apple Pay und Konsorten noch ein Schattendasein. Ebenso ist die Killer-Applikation auf Basis der Blockchain-Technologie noch nicht in Erscheinung getreten.

„Trotz der Aufmerksamkeit, die Fintech in den letzten Jahren auf sich gezogen hat, ist der Fintech-Einfluss auf die Erfolgsrechnung von Banken kaum bemerkbar.“
Die vierte Aussage ist letztlich eine Konsequenz der dritten. Man könnte hier natürlich wiederum die Ignoranz oder Arroganz der Banken ins Feld führen, was aber auch zu einfach wäre. Das Interessante an den Kernaussagen der ZKB-Studie ist, dass sie zu sehr ähnlichen Schlüssen kommt wie die renommierte WEF-Studie vom August 2017 „Beyond Fintech: A Pragmatic Assessment Of Disruptive Potential In Financial Services“. Auch hier stechen vier Kernaussagen ins Auge:



  1. Fintechs haben den digitalen Innovationsprozess aktiv angestossen und beeinflusst
  2. Fintechs haben die Anforderungen an neue kundenfreundliche User-Interfaces stark erhöht
  3. Fintechs konnten noch nicht in hohem Masse Kunden der Banken abwerben
  4. Fintechs konnten noch nicht eigene, von Banken unabhängige, Ökosysteme etablieren

Fazit: Die Studie wiederspiegelt die aktuelle Haltung und Denkweise der Mehrheit der etablierten Finanzinstitute. Die von vielen Fintech-Experten propagierte Revolution (oder eben Disruption) im Banking ist noch nicht eingetreten. Anstelle der Kompetition tritt aktuell eher eine Kooperation der etablierten mit den neuen Akteuren. Die Entwicklung wird unserer Meinung nach weitergehen und viele der ursprünglich anvisierten Ziele werden auch erreicht werden. Es wird Innovationen geben, die wir heute noch nicht voraussehen und der Regulator wird hier seinen Einfluss weiter wahrnehmen und noch ausbauen. Für einen „... was kommt nach dem Hype auf uns zu?“ ist es aber definitiv noch zu früh. Möglicherweise hat der Hype gerade erst begonnen.

Quergedacht hat Carsten Miehling.


#FinTech, #DigitalBanking, #Digitalisierung