Die Digitale Transformation ist in vollem Gange und zwar schneller denn je. Grosse Tageszeitungen wie z.B. die NZZ widmen ihr eigene Beitragsreihen und der Bundesrat ruft den „Tag der Digitalisierung“ ins Leben, der am 21. November dieses Jahres, gestützt auf die Strategie „
Digitale Schweiz“ , stattfinden soll.
Doch wie rasch springen die Unternehmen und letztlich die Verbraucher auf diesen Schnellzug auf? Denn es zeigt sich bereits jetzt: in der Schweiz geht die Schere immer weiter auf. Nicht nur was den Wohlstand der Bevölkerung betrifft, sondern auch im Hinblick auf die Digitalisierung der Arbeitsprozesse. Oder gibt es gar eine Beziehung zwischen diesen beiden Grössen - ganz nach dem Motto: „Ich digitalisiere, also bin ich“?
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Blick am Abend 30.03.2017 |
Der „Tag der Digitalisierung“ steht unter dem Patronat von Bundespräsidentin Doris Leuthard und Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Viele grosse Firmen partizipieren (unter anderem auch namhafte Kunden von PPI Schweiz, was uns ganz besonders freut) und sollen helfen, die Schweiz wachzurütteln und Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung aufzuzeigen.
Die Vision
Folgt man der Vision von Bundesrat Schneider-Ammann, dann kann die Digitalisierung der Schweiz als Haus visualisiert werden.
Die Grundwerte Freiheit und Eigeninitiative bilden das Fundament des Hauses. Die aufeinanderfolgenden Schichten: Infrastruktur, Bildung & Forschung, Innovation und Wirtschaft füllen das Haus mit Leben. Arbeitsplätze und Wohlstand werden als die obersten Ziele betitelt. Die Grundmauern bilden eine Gesellschaft mit starker digitaler Affinität und einer verlässlichen, aber nicht einengenden Gesetzgebung. So zumindest präsentierte er die Idee anlässlich der Zusammenkunft der 50 „Digital Shapers“, den aus den Bereichen Wissenschaft, Startup, Unternehmen, Politik und Kapitalgeber handverlesenen Personen, die zusammen im November 2016 in Bern das „
Manifest zur Digitalisierung der Schweiz“ erarbeiteten.
Ins Auge sticht darin der Punkt, dass der Bund der ETH in den nächsten zehn Jahren zwei Milliarden Franken zur Verfügung stellt, damit die Schweiz zum weltweit führenden Standort für digitale Transformation wird.
Das ist sicher vernünftig und hilft mit, Grosses zu erreichen sowie internationale Starprofessoren einzufliegen um den exzellenten Weltruf der ETH weiter zu festigen. Viel interessanter wäre es aber zu erfahren, wieviel Geld der Bund denn für die digitale Bildung des gemeinen Volkes ausgeben will. Leider steht in diesem Manifest lediglich: „(...) dass sie (die Jugendlichen, Anmerkung d.R.) das abstrakte und algorithmische Denken («Computional Thinking») erlernen, dadurch die digitale Welt besser verstehen und diese mitgestalten können (sollen). Entsprechend ist die Grundausbildung anzupassen. Die notwendigen Mittel sind in den Kantonen bereitzustellen.“
Das klingt gut, aber wenig verbindlich. Und das ist schade! Ist es doch das Volk, also wir alle, die letztlich die smarten Produkte der Startups kaufen und nutzen sollen. Wir alle bilden das Marktpotential, um kontaktlos an Terminals zu zahlen, unsere Briefe nur noch in digitalisierter Form zu empfangen und die Steuererklärung digital (vorbereitet von der Bank oder einem Fintech-Anbieter) mit wenigen Mausklicks sekundenschnell ans Finanzamt zu übermitteln. Wir sind die User, die mit den innovativen, digitalen Produkten unser Leben einfacher oder effizienter und sogar günstiger gestalten können. Dafür braucht es aber eine erlernte Neugierde digitalen Inhalten gegenüber und eine hohe Computer-Affinität. Und spätestens an dieser Stelle stossen wir auf das Generationenproblem.
Im Markt bewegen sich junge Menschen, für die Computer und Smartphones zum Alltag gehören. Aber genauso treffen wir z.B. auf die Generation unserer Eltern, die das Zehnfingersystem noch auf der Schreibmaschine erlernten und das Geräusch des Diskettenlaufwerks kennen. Auch sie bewegen sich in unserer Gesellschaft, wenn nicht mehr aktiv im Arbeitsprozess, dann vermutlich als Rentner. Und natürlich sind sie lernfähig und hoffentlich immer noch neugierig der digitalen Veränderung gegenüber. Aber sie brauchen mehr Zeit. Sie brauchen länger, um versiert mit Neuerungen umgehen zu können und sie verlangen nach einfachen Benutzeroberflächen. Denn sie denken in bewährten, gewohnten (physischen) Strukturen und seltener innovativ und digital-freudig (bitte vergleichen Sie hierzu auch den wunderbaren Schweizer Dokumentarfilm „
Digital Immigrants“).
Wie stellt sich also der Bundesrat diese Gesellschaft mit starker digitaler Affinität vor? Wer ist darin enthalten und wer fällt durch die Maschen? Und wer kommt dafür auf, wenn wir auch ältere Menschen ausbilden und mitziehen möchten in diese digitalisierte Welt?
Die Veränderung beginnt im Kopf
Eine wichtige Plattform stellt der Internetauftritt der Initiative „
Smart Switzerland“ dar. Hier werden, unterteilt in verschiedene (Haupt-) Themenbereiche, Digitalisierungsaspekte betrachtet und unabhängig Inputs geliefert. Man will aufklären, Chancen aufzeigen, Anwendungsfelder beleuchten und ein aktueller Spiegel dessen sein, was im Feld der Digitalisierung in der Schweiz gerade so läuft.
Aus unserer Sicht eine sinnvolle und starke Initiative. Wir wünschen uns vermehrt, dass gerade KMUs darauf aufmerksam werden und sich inspirieren lassen. Einige von ihnen haben die Zeichen der Zeit bereits richtig erkannt und sich strategisch neu ausgerichtet. Dadurch schaffen sie einen nachhaltigen Mehrwert. Sie sind gerüstet, kostensensitiv und lenken das eigene Business in neue Marktfelder und damit in die Zukunft. So schaffen sie letztlich sichere Arbeitsplätze.
Andere dagegen machen weiter wie bisher. Mit alter Kernbankensoftware, die anfällig ist, sich schwierig ablösen lässt und kaum mehr kompatibel ist mit neuen Angeboten. So ist es oft einfacher die Augen vor der digitalen Entwicklung zu verschliessen, als das Problem grundlegend anzupacken. Aber: Die Digitalisierung findet statt, ob man hinschaut oder nicht. Und das nicht nur in einem Teilbereich, sondern sie erfasst die gesamte Wertschöpfungskette.
Die Banken als Musterschüler
Die Nationalbank liess erst neulich vernehmen, dass die Auswirkungen der Negativzinsen auf die Bankenbranche weniger gravierend gewesen sei als noch Anfang 2015 befürchtet. Die Profitabilität der Banken habe sich insgesamt nicht verringert.
Wie ist das möglich? Die Banken haben – initiiert durch die neuen Formate im Zahlungsverkehr und das tiefe Zinsniveau, das im Kapitalgeschäft die Margen über Jahre sinken liess- ihre Hausaufgaben gemacht und interne Abläufe automatisiert, Filialen geschlossen und sich vermehrt effizient online ausgerichtet. Die Schnittstellen sind da und bieten Hand für einen reibungslosen, elektronischen, teil- oder vollautomatisierten Austausch von Zahlungsaufträgen und Kontoinformationen für das Cash-Management des Kunden. Und der Kunde kann davon maximal profitieren, wenn er sich und sein Geschäft entsprechend aufstellt.
Doch sind wir ehrlich: Die meisten KMUs lieben den Status Quo und verspüren keinen Anlass, die bestehenden Prozesse zu optimieren und neuartige Zahlungsabwicklungs-Software zu implementieren. Und dabei geht es nicht nur darum, dass die Zahlungs-Software die neuen Formate unterstützt, sondern vielmehr, dass generell der ganze Zahlungsprozess durchleuchtet und modernisiert wird. Denn die Umstellung findet –wie oben erwähnt- ganzheitlich statt. Und sie beginnt im Kopf der Mitarbeitenden, die verstehen müssen, dass ihnen die Digitalisierung zuspielt und Prozesse vereinfacht, mehr als dass sie die eigene Arbeitsposition gefährdet. Wer wach ist und die neuen Abläufe versteht, der ist für die Firma von Wert. Und das ist es wohl, was sich der Bundesrat unter einer digital versierten Gesellschaft vorstellt. Er verlangt insgeheim vom Volk, dass wir uns selber weiterbilden und mit der Zeit gehen. Dass wir aufwachen und unsere Neugierde auf die Auswirkungen und Chancen dieser digitalen Transformation lenken. Er verlangt von uns Eigeninitiative. Und hier schliesst sich der Kreis. Unser Schulsystem ist so aufgestellt, dass wir zu mündigen, selbstdenkenden Bürgern ausgebildet werden. Wir sind in der Lage, diesen Prozess zu verstehen und entsprechend zu deuten und gegebenenfalls Massnahmen zu ergreifen.
Warten wir also nicht ab, sondern interessieren wir uns für die Veränderungen. Die digitale Welt bietet uns unzählige Möglichkeiten, das Business effizient und kostensparend aufzustellen und dabei erst noch Zeit zu gewinnen. Lebenszeit, die wir zur freien Nutzung gewinnen oder auch dazu verwenden können, uns mit den neuesten Chancen der Digitalisierung entspannt auseinanderzusetzen. Denn Zeit ist Geld und die Veränderung beginnt im Kopf.
Dieser Beitrag wurde von
Matthias Hungerbühler gepostet.
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