Instant Payments – „The New Normal“

Instant Payments, PSD2, SEPA, Carsten Miehling, EPC, PPI AG
Die Zahlungsverkehrs-Gemeinde in Europa beschäftigt sich aktuell mit zwei grossen Themen: Die überarbeitete Europäische Zahlungsverkehrsrichtlinie PSD2 und Instant Payments. Über PSD2 wurde in diesem Blog bereits berichtet, sodass wir an dieser Stelle den Fokus auf Instant Payments im Allgemeinen und SEPA Instant Payments (SCT Inst) im Speziellen richten wollen.

Woher kommt eigentlich der Bedarf Zahlungen instantan oder in Echtzeit ausführen zu wollen? Aus Sicht der Zahler ist es heute nur noch schwierig zu erklären, dass eine Zahlung leider nach 16 Uhr oder am Wochenende nicht mehr ausgeführt werden kann, zumal Zahlungen als Privatperson via Karte, PayPal oder neuerdings auch via Twint in Sekundenbruchteilen prozessiert werden. Ob diese Zahlungen dann auch wirklich verbucht sind, ist für den Anwender kaum von Interesse respektive wird von diesem nicht wahrgenommen.

Instant Payment Angebote existieren bereits heute in mehreren Europäischen Ländern, z.B. in England, Schweden, Polen und Dänemark. Im November 2016 publizierte das EPC (European Payments Council) - dieselbe Institution, welche die Regeln für SEPA (Single Euro Payments Area) definiert hat -  ein sog. SEPA Inst Rulebook (Version 1.0) mit dem Ziel, eine paneuropäische Instant Payment Lösung zu lancieren. Die Eckpunkte der Definition sind wie folgt: Zahlungen innerhalb von maximal 10 Sekunden, an 7 mal 24 Stunden und an 365 Tagen für maximale Beträge bis 15'000 Euro, basierend auf dem bestehenden SEPA Zahlungsverkehrsschema.

Die Vorgaben bezüglich der maximalen Zeitdauer und den Höchstbeträgen können nach Absprache unter den Teilnehmern reduziert respektive erhöht werden. Innerhalb von Bankengruppen werden Instant Payments z.B. bereits in 1,5 Sekunden abgewickelt und das englische Instant Payment System erlaubt heute bereits Zahlungen bis zu 270'000 Pfund pro Transaktion. Das SEPA Inst Rulebook ist im Gegensatz zur SEPA, welche per EU-Verordnung für alle EU-Staaten gesetzlich vorgeschrieben wurde, optional, d.h. jede Bank oder Bankengruppe kann für sich entscheiden, ob und wem sie Instant Payments anbieten möchte.

Ein wesentliches Merkmal von SCT Inst ist, dass die Rollen im Vergleich zu anderen Bezahlschemas völlig synchron sind. Als Akteur im Bezahlprozess kann man sowohl Bezahler als auch Zahlungsempfänger sein. Dies ist beispielsweise beim Einsatz von Debit- oder Kreditkarten nicht der Fall, hier sind die Rollen klar vorgegeben. Es kommt hinzu, dass mit der technischen Basis von SEPA bereits alle Fragen bezüglich Formate (ISO 20022) und der Governance generell beantwortet sind und die Prozesse heute im produktiven Einsatz gelebt werden (z.B. alle Fehler- und Disput-Szenarien, wenn mal etwas nicht klappt). Gerade dies ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil gegenüber neuen FinTech-Lösungen auf privater Basis. Ausserdem ist mit SEPA  eine sofortige Erreichbarkeit von über 34 Ländern und 500 Millionen Konsumenten gegeben.

Was für den Kunden auf den ersten Blick schon fast als selbstverständlich von den Banken gefordert wird, ist für die einzelnen Institute und Clearing-Systeme eine riesige Herausforderung. Selbst eine relativ lange Durchlaufzeit von 10 Sekunden gemäss den Regeln der EPC ist mit den bestehenden Banksystemen kaum realisierbar. In der Kette Senderbank, Clearing-System und Empfängerbank bleiben den beiden Bankakteuren jeweils 4 Sekunden für die Zahlungsauslösung und -bestätigung respektive die Kunden-Avisierung der erfolgten Belastung und Gutschrift (dem Clearing-System werden 2 Sekunden zugestanden).

Seitens der Senderbank fallen z.B. neben der Auftragsvalidierung und der Weiterleitung des Auftrages an das Clearingsystem folgende Prüfungen an: Berechtigung des Auftraggebers (inklusive allfällig definierter Limiten), Konto-Deckung, Embargo, Geldwäscherei und Sanktionsfilter. Nach dem Eintreffen der Antwort der Empfängerbank muss die Zahlung dem Zahler noch als Bestätigung respektive Ablehnung weitergegeben werden. Dazu kommen noch verfahrenstechnische Prozessschritte wie die Leitwegbestimmung plus die Liquiditätsdisposition. Dies, wie gesagt, in maximal 4 Sekunden.

Nichtsdestotrotz hat zurzeit in Deutschland ein regelrechtes Wettrennen begonnen, wer die erste produktive SEPA Instant Payment Lösung wird anbieten können, denn die Business Cases sind vielfältig. Erstmals ist auch wieder ein Geldverdienen mit dem Zahlungsverkehr möglich, denn instantan darf durchaus auch etwas kosten, insbesondere im B2B Case (Business zu Business). PPI schätzt, dass die Verfügbarkeit von Lösungen in Etappen vollzogen werden wird. Zuerst werden P2P- (Person zu Person), dann P2B/B2P- (Person zu Business, Business zu Person) und zuletzt B2B- Angebote im Markt verfügbar sein.

Man kann sich verschiedenste Szenarien mit Instant Payment vorstellen. Offensichtliche, wie das Bezahlen zwischen Personen, am Point of Sales oder im Online-Shop, aber auch exotische, wie das Bezahlen von Löhnen, die Zahlung einer Schiffsladung im Ankunftshafen, die Auszahlung von Dividenden an der Generalversammlung oder die Auszahlung einer Unfallprämie der Versicherung direkt vor Ort. Ein Spezialfall, welcher auch für die Banken eine grosse Herausforderung darstellt, ist das plötzliche Aufkommen von grossen Volumen, z.B. bei einem Spendenaufruf in einer Samstagabend-TV-Show.

PPI ist der Meinung, dass Instant Payment nicht aufzuhalten ist und in der Tat das „New Normal“ im Zahlungsverkehr werden wird. Unsere Enkelkinder werden amüsiert zuhören, wenn wir erzählen, dass am Wochenende zu unserer Zeit keine Zahlungen ausgeführt werden konnten. Auf Banken und Anbieter von Clearing-Systemen kommen grosse Herausforderungen zu. Dass eine Nichtverfügbarkeit von nur wenigen Sekunden sofort von der Gemeinde im Netz ausgebreitet werden wird, ist nur ein Aspekt von vielen. Es sind in erster Linie technische Herausforderungen (die zu meistern sind, wie die bestehenden produktiven Lösungen in Europa zeigen), aber auch Herausforderungen bezüglich der Backend-Prozesse und die Anpassung von Risiko-Einschätzungen, welche die Banken jetzt angehen müssen, wenn sie bei SCT Inst dabei sein wollen.

Was ist eigentlich mit dem Finanzplatz Schweiz? In einem Artikel der Fachzeitschrift CLEARIT vom März 2017 wird das Thema erstmals aufgegriffen und darauf verwiesen, dass für Zahlungen in Euro hierzulande das Kundenbedürfnis klein sei. Mit der P2P-Lösung von Twint würde zudem ein Business Case gemäss den Instant Payment Regeln bereits abgedeckt. Rückblickend auf die soeben aufgeführten Gedanken ist es nur schwer vorstellbar, dass Schweizer Kunden kein Bedürfnis an einer Lösung wie SCT Inst haben. Dabei können Transaktionen natürlich auch in Schweizer Franken erfolgen, denn wer hat verboten bei der Übermittlung von Zahlungen noch eine Währungsumrechnung durchzuführen?


Dieser Beitrag wurde von Carsten Miehling gepostet.


#DigitalFinanceExperts, #DigitalBanking, #InstantPayments, #PaymentHub, 

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen