mymoria - Im Reich des digitalisierten Todes

Peter Kauz und Björn Wolff
Das Berliner Startup mymoria hat sich auf die Fahne geschrieben, den undurchsichtigen Weg der Bestattungsvorbereitung transparent zu machen und digital ins Netz zu bringen. Das Team ist jung, aufgeschlossen, bricht mit dem allgemeinen Tabuthema „Tod“ und leistet, neben all den angebotenen Services, vor allem auch eine wichtige Aufklärungsarbeit in unserer Gesellschaft. Auf der Onlineplattform kann jede Art von Bestattung, egal ob die eigene oder diejenige von verstorbenen Angehörigen, komplett geplant und auch gleich bezahlt werden. Ein Mehrwert, der nicht zu unterschätzen ist. Denn oft wohnen die Kinder nicht mehr da wo die Eltern leben und jeder Tod ist für die Hinterbliebenen eine organisatorische Herausforderung. Und genau da setzt mymoria an.
Wir haben uns mit dem Mitgründer und Geschäftsführer Björn Wolff zu unserem Digital-Talk getroffen.

Wer sich auf mymoria.de bewegt, beschäftigt sich zwangsläufig mit dem Tod. Wie kommt man als junger Mann dazu, ein solches Portal überhaupt zu erschaffen?
Erstmal danke, dass du mich als „jungen Mann” titulierst (lacht). Ich habe die Plattform mit Peter, meinem Geschäftspartner, zusammen gegründet. Und wir sind über einen Todesfall im Freundeskreis darauf gekommen uns überhaupt mit diesem Thema zu beschäftigen. Der Vater eines Freundes verstarb und die Angehörigen hatten damals das Dilemma, dass sie zum einen nicht zufrieden waren mit dem, was der Bestatter gemacht hatte und zum andern fehlten ganz einfach grundsätzliche und wichtige Informationen online. Peter und ich kamen beruflich zwar aus ganz verschiedenen Bereichen, aber wir sagten uns: „Das können wir doch besser machen“. Und dann begannen wir uns mit dem Thema zu beschäftigen. Wir merkten relativ schnell, dass der Tod ein schlimmes Tabuthema ist und die Leute nicht darüber sprechen wollen oder einfach nie die Möglichkeit dazu haben. Wenn man ihnen aber diese Möglichkeit gibt, öffnen sie sich und können auf einmal relativ gelöst über ihre Wünsche bezüglich der eigenen Bestattung reden. Und seither handeln wir nach dem Grundsatz: „Lass uns ganz viel darüber sprechen, dann können wir es vielleicht verändern“.

Beschreib doch bitte mal die Funktionsweise von mymoria. Ab wann komme ich in euren Fokus resp. muss dem zwingend ein Todesfall vorangehen? Und wie läuft das dann ab?
Ganz einfach. Wir wollten das breite Spektrum dessen was man machen muss, wenn man sich mit dem Tod beschäftigt oder beschäftigen muss, weil man das für sich selbst als Vorsorge macht oder weil man einen akuten Trauerfall hat, komplett abdecken. Das haben wir versucht. Was heisst das nun? Man kann sagen, dass sich jeder bei uns relativ schnell eine Bestattung zusammenklicken kann. Also aus verschiedenen Sachen auswählen, wie man die gerne hätte und die kann man dann bei uns buchen. Das mache ich entweder a) als Vorsorge, also für mich selbst oder jemand anderen, für den man vorsorgen will oder b) wenn man wirklich im akuten Trauerfall Hilfe braucht. Und dann gibt es eben das breite Spektrum. Diesen Prozess kann man entweder ganz autark durchschreiten, also ganz alleine, von zuhause aus, im geschützten Raum und man muss uns nicht weiter in Anspruch nehmen. Man muss mit keinem reden, wenn man das nicht möchte und kann uns einfach beauftragen und wir kümmern uns darum. Oder aber man spricht mit uns (wir haben Bestatter, die rund um die Uhr erreichbar sind). Das geschieht telefonisch und geht bis hin zu einem persönlichen Termin, wenn man das denn will. Ehrlicherweise wird dieses Angebot aber immer seltener in Anspruch genommen. Ich glaube die Leute sind eben gerade froh, nicht in ein angestaubtes Bestattungshaus gehen zu müssen und nicht zu wissen, auf wen sie da treffen. Sie können sich bei uns alle Details und Produkte in Ruhe online durchlesen und anschauen und letztlich natürlich auch gleich auswählen. Alles ganz einfach, bequem von zuhause aus, ganz transparent und auch kostentransparent.

Meine nächste Frage geht genau in die Richtung: Wenn man ja einen Trauerfall beklagt, ist man oft bereits mit der Situation, dass jemand gestorben ist, überfordert. Jetzt muss man ganz viel organisieren und kann das neuerdings bei euch per Mausklick erledigen. Du hast Bestatter am Telefon erwähnt, aber wie stellt ihr sicher, dass da die Menschlichkeit nicht verloren geht?
Wir sind in allem was wir machen so menschlich wie es nur geht. Ich glaube der erste Zugang ist schon mal nicht schlecht: Wir stellen nämlich in dem Moment, in dem der Tod eintritt, alle nötigen Informationen schon mal zur Verfügung. Das machen wir auf allen Kanälen. Egal wie man also diese Informationen abfordert, sie stehen umgehend zur Verfügung. Wenn der Kunde das ganz persönlich haben will, dann kann er das rund um die Uhr bei uns am Telefon machen. Ich denke das ist ja schon mal einzigartig. Und da sind Leute, die sind nicht einfach darauf getrimmt ein Call-Center zu sein, sondern denen ist es freigestellt, wie lange sie mit jemandem reden. Es gibt bei einem Todesfall ganz unterschiedliche Bedürfnisse und dadurch natürlich auch viele Anekdoten. Manche Leute kommen ganz aufgeräumt daher und sagen: „Passen Sie auf, ich habe das und das und das, können Sie das für mich machen? ..., ja super, ich schick Ihnen gleich den Auftrag.“ Dem gegenüber gibt es aber auch Menschen, die wissen gar nicht, was sie jetzt in die Wege leiten müssen und die nehmen wir dann an die Hand und sagen, es gibt ein paar Dinge, die sind jetzt wichtig, paar andere macht man erst später.

Und die können dann immer wieder anrufen? Die werden also durch den kompletten Vorbereitungsprozess begleitet?
Ja, klar. Du kriegst einen Ansprechpartner und der führt dich durch den Prozess und ist an deiner Seite.

Du hast vorhin Kostentransparenz angesprochen. Ihr habt eine Überschrift auf der Homepage, dass ihr bis zu 31% günstiger seid im Vergleich zu einer herkömmlich organisierten Bestattung. Wie könnt ihr diesen Preisnachlass sicherstellen – muss man euch als Amazon der Bestattungsbranche verstehen?
Also das Volumina von Amazon haben wir noch nicht ganz erreicht (lacht). Es sind ja zweierlei unterschiedliche Themen in dieser Frage. Das eine ist die Kostentransparenz. Da bieten wir was, was es zumindest in Deutschland vorher so nicht gab. Alle sprechen zwar immer über Transparenz, aber dass man die Kosten einer Bestattung im Vorfeld ganz klar ausweist und sagt: „Natürlich kannst Du andere Blumen wählen, dadurch erhört sich aber der Gesamtpreis um so und soviel“ ist einzigartig. Wir bieten somit einen Vollkostenpreis. Das heisst, wenn da EUR 2‘819.- drunter steht, dann kostet es auch genau EUR 2’819.-. Diese Kostentransparenz gefällt vermutlich bis heute vielen Markteilnehmern nicht. Aber wir sind fest davon überzeugt, dass diese Transparenz sinnvoll ist und spüren auch, dass unsere Kunden das schätzen, ja sogar einfordern. Denn wer Dienstleistungen im Internet bucht, der will genau wissen, wieviel das kostet und was er dafür bekommt.
Und die andere Frage war ja, warum können wir günstiger sein als der Ortsdurchschnitt? Das ist relativ einfach erklärt. Wir machen das deutschlandweit. Wir kaufen ganz anders ein. Dadurch können wir auch andere Preise an unsere Kunden weitergeben. Und von der Logik her muss man verstehen: Wir machen alles selbst. Wir haben Partner oder eigene Bestatter über ganz Deutschland sitzen und wir kaufen bei Partnern die Vor-Ort-Dienstleistungen ein. Das kann zum Beispiel eine Überführung oder Vor-Ort-Betreuung sein, falls nötig. Alles andere machen wir wirklich selbst. Alle Produkte kommen von uns, alle Services, die man irgendwie digitalisieren kann, machen wir selbst. Also Abmeldungen bei der Krankenkasse, bei der Rente etc., all das, worum man sich nicht kümmern mag, wenn eine nahestehende Person gestorben ist.

Und das läuft über Vollmachten? Oder wie wird das geregelt?
Ja. Am Anfang ist es so, dass wir natürlich eh eine Vollmacht für all diese Themen vom Kunden bekommen. Für die Abmeldungen, die wir gerade angesprochen haben, braucht man zum Beispiel eine Sterbeurkunde. Da gehört es bereits zu unserem Basisservice dazu, dass wir die Sterbeurkunde erwirken und damit dann auch gleich die Abmeldungen vollziehen.

Ihr bietet auch einen Vorsorgeservice an, also die Möglichkeit, dass ich mir als Lebender Gedanken darüber machen kann, wie denn meine eigene Bestattung einst aussehen und ablaufen soll.
Kann ich jedem nur empfehlen (schmunzelt).

Wenn ich für mich nun alles auf mymoria.de plane, von der Farbe der Blumen bis hin zu der Musik, die während meiner Beisetzung abgespielt werden soll - wie erfahren dann meine Angehörigen nach meinem Tod von meinem mymoria-Willen?
Gute Frage, ja. Manche Leute laden sich ein Angebot von uns herunter und sagen, das hab’ ich jetzt zu meinem Testament gelegt, dann wird es ja wohl gefunden werden. Denen erklären wir dann immer, dass das schon gefunden wird, aber häufig erst nach der Bestattung, weil das Testament meist erst danach verlesen wird.
Wir haben aber verschiedene Mechanismen, die genau dafür helfen. Das eine ist, wir hinterlegen Vertrauens- und Ansprechpersonen bei uns im System, die auch einen Zugang auf den letzten Willen, wie denn die Bestattung sein soll, bekommen. Diejenigen, die bei uns vorsorgen, bekommen so kleine Karten, die an die Vertrauenspersonen abgegeben werden können. Plus, was auch alle bekommen, ist so ein kleiner Aufkleber für die Krankenkassenkarte. Da steht dann drauf „Bestattungsvorsorge by mymoria“. Denn wenn du stirbst, das was sicher angeschaut und gebraucht wird ist deine Krankenkassenkarte. Die wird immer gezückt. Somit bleibt die Information im Jetzt, wenn du dann mal den letzten Weg gehst. Und sobald wir kontaktiert werden, können wir dann sofort übernehmen und den Wunsch umsetzen. Das beinhaltet auch die zwei Hauptpunkte, warum Menschen überhaupt selber vorsorgen wollen: Zum einen will man eigene Wünsche einbringen und zum anderen sollen die Hinterbliebenen sowohl finanziell als auch emotional entlastet werden. Die belastende Planung übernehmen wir komplett.

Dieser Blog wird mitunter von vielen Bankern gelesen. Somit ist es naheliegend, dass wir auch über Geld sprechen möchten. Ihr bietet im Vorsorgemodell an, dass man eine Einmalzahlung oder monatliche Beiträge an die eigene Bestattung leisten kann. Wo aber liegt dann dieses Geld bis zu meinem Tod, arbeitet ihr damit? Oder eröffnet ihr Extrakonten bei einer Bank? Nur, mit meinem Tod fallen ja alle meine Vermögenswerte in den Nachlass und das Geld ist somit blockiert bis die Erbschaft geregelt ist? Wie läuft das bei euch ab?
Das wäre es, wenn du keine Vorsorge machst, das stimmt. Wir sind keine Bank, wir haben keine Banklizenz und dürfen selber kein Geld zu Verwaltungszwecken annehmen. Wir können nur über Hilfskonstrukte arbeiten, zum Beispiel über Treuhandkonstrukte. Die haben den Vorteil, dass sie pfändungssicher sind. Das Geld ist dann also für die Bestattung hinterlegt und da kann auch sonst keiner darauf zugreifen. Und genauso vertreiben wir auch Bestattungsvorsorgeversicherungen. Dem Kunden ist es freigestellt, wie und wo er das Geld zurücklegen will. Wir treten lediglich als Verfügungsberechtigter auf und können das Geld erst abrufen, wenn wir die Bestattung nachweislich durchgeführt haben und in Rechnung stellen.

Manchmal wird man ja vom Tod überrascht und die Organisation der Bestattung muss schnell gehen. Würde es eure Arbeit erleichtern, wenn es die Möglichkeit von Instant Payment gäbe, wenn man also in 3 Sekunden Geld von A nach B überweisen kann?
(Überlegt). Ich glaube, das wäre bei manchen Themen gut. Man muss aber klar sehen, welche Altersschicht welche Leistungen bei uns bucht. Wo es wahnsinnig helfen würde ist bei der Vorsorge. Hier bieten wir ja den Service an, dass man die eigene Bestattung nach individuellen Wünschen zusammenstellen kann. Um diesen Service aber tatsächlich zu erwirken, muss man die Vorsorgegebühr von EUR 49.- überweisen und das dauert nach heutigem Prozess manchmal mehrere Tage. Wenn das also instant wäre, dann wüssten unsere Kunden sofort: Nach der Zahlung ist alles bei mymoria hinterlegt und sollte mir jetzt was passieren, dann wissen die, was zu tun ist.
Ich glaube aber für eine klassische Bestattung an sich macht es keinen Unterschied. Denn wir nehmen keine Anzahlung, sondern gehen selber ins Risiko und rechnen erst nach getaner Arbeit ab. Da wäre es für uns momentan noch kein Zugewinn. Aber ich könnte mir vorstellen, dass Instant Payment irgendwann auch vom Kunden eingefordert wird.

Ihr stellt also ganz herkömmliche Rechnungen?  Oder kann ich bei euch auf dem Portal auch via Paypal oder Kreditkarte bezahlen?
Wir machen herkömmliche Rechnungen. Du kannst aber genauso gut per Kreditkarte bezahlen.

Im Moment gibt es mymoria in Deutschland und seit Kurzem auch in Österreich. Gibt es Bestrebungen den Service z.B. auch auf die Schweiz oder das restliche Europa auszuweiten?
Wir schauen uns die Schweiz genau an. Da ist aber wenig harmonisiert. Das heisst, die Rechtsprechung ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Die Hürde liegt hier also etwas höher (lacht). Es gibt aber auch noch ein paar andere interessante europäische Länder, die wir unter die Lupe nehmen. Bestimmt werden bald einige weitere folgen. Der Service fehlt in so vielen Ländern, dass wir davon ausgehen, auch an anderen Orten Fuss fassen zu können.

Wie viele Bestattungen habt ihr bis dato in Deutschland und Österreich durchgeführt?
Da sind wir wie die Banker, da sagen wir nichts (lacht). Das letzte Mal hatten wir Ende 2017 kommuniziert und da hatten wir weit über 1000 Bestattungen gemacht. Da waren wir aber noch nicht lange auf dem Markt.

Lieber Björn, ganz herzlichen Dank für‘s Gespräch.
Danke auch.



Dieses Interview wurde von Matthias Hungerbühler geführt.



#mymoria #Digitalisierung #eGesellschaft #FinTech


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