Wir wagen zur Abwechslung einen etwas allgemeineren Blick auf die globale Lage der digitalen Transformation. An welchem Punkt auf dieser Reise stehen wir und wo führt uns diese Entwicklung hin? Was können wir von der Zukunft erwarten? Natürlich ist vor allem letztere Frage philosophischer Natur und kann von uns auch nur mittels Annahmen beantwortet werden. Als Standortbestimmung tut es aber gut, ab und an die Dinge mit wachem Geist zu betrachten und verschmitzt in die Zukunft zu schauen.
Bestehende Machtverhältnisse auf dem Prüfstand
Um den Status Quo inkl. der aktuellen Zukunftstendenzen zu begreifen, halten wir uns an das diesjährige World Economic Forum, kurz WEF. Denn da trafen sich Ende Januar die einflussreichen Menschen aus der Politik und Wirtschaft und auch dieses Jahr wurde in Davos wieder viel über die Digitalisierung diskutiert. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass durch neue Technologien die Prozesse immer schneller werden und die Welt damit disruptiver. Die digitalen Prozesse vernetzen nicht nur immer mehr Dinge und Teilnehmer und machen den Wettbewerb globaler, sie ändern auch die bis anhin geltenden Machtdynamiken. Das sehen wir an Beispielen wie der #MeToo - Bewegung oder an der Vermutung, dass während des letzten Präsidentschaftswahlkampfes in den USA Facebook-Daten in millionenfacher Ausführung, ohne das Wissen der User, gezielt zur Meinungsbildung missbraucht wurden. Die Neuverteilung von Macht ist durchaus ein sensitives Thema und betrifft viele Bereiche. Auch die Werbebranche wird durchgeschüttelt. Während Dienste wie Facebook und Google verhältnismässig junge Player in diesem Bereich sind, die sehr zielgerichtet bewerben können, sind heute auch gewisse Influencer in der Lage, mehr Nachfrage nach einem Produkt zu generieren als eine weltweit angelegte Marketing-Kampagne. Und das Gleiche gilt natürlich auch im umgekehrten Sinne, nämlich dann, wenn im Netz ein Shitstorm gegen ein Unternehmen angezettelt wird. Solche Prozesse sind schwer voraussehbar und können verheerende Folgen für ein Unternehmen haben. Hier ist viel im Umbruch und wir werden diesbezüglich noch das eine oder andere erleben. Doch diese Informationen sind weder neu, noch überraschen sie uns wirklich.
KI als Losungswort für die Zukunft
Was uns ab jetzt aber verstärkt beschäftigen wird, ist die Künstliche Intelligenz (KI), deren Fähigkeiten stetig zunehmen. Der Fantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt. Wir säen heute mit unserem Surfverhalten im Internet unzählige Nutzerdaten, die technisch durch die KI in kürzester Zeit herausgelesen, verglichen und wirtschaftlich nutzbar gemacht werden können. Hier ist jeder und jede von uns gefragt und auch gefordert. Denn bei einem durchschnittlichen Surfverhalten von mehreren Stunden pro Tag ist es durchaus verständlich, dass man als Individuum rasch den Überblick verliert, welchem Unternehmen man welche persönlichen Daten zur Verfügung gestellt hat. Und was mit diesen Daten tatsächlich geschieht, darauf hat kaum einer eine Antwort, geschweige denn einen starken Einfluss.
Die KI beschäftigt aber auch die Unternehmerwelt. Hier geht es in naher Zukunft erstmal darum, die vorherrschende Unternehmensinfrastruktur zu digitalisieren und vor allem auch die Unternehmenskultur ins digitale Zeitalter zu führen. Denn die KI wird, was die strategische Ausrichtung und die wirtschaftlichen Prognosen betrifft, die Prozesse weiter erheblich beschleunigen und auch genauer machen. Operationelle Entscheide können also automatisiert werden. Unternehmen müssen heute 24/7 wach sein und flexibel agieren und reagieren können, sonst gewinnt die Konkurrenz.
Unsicherheit macht sich breit
Die Angst vor dieser sich so rasch verändernden Welt ist bei den Firmen gross. In Deutschland fordert die Wirtschaft daher mit einer Petition einen Digitalminister oder eine Digitalministerin, damit jemand in der Regierung für die Digitalisierung zuständig ist und Rechtssicherheit sowie innovationsfördernde Rahmenbedingungen schaffen kann.
Alles wird „smart“
Im privaten Sektor, auf der Seite der Konsumenten, sieht die Sache jedoch etwas anders aus. Natürlich können wir davon ausgehen, dass unser Leben auch in einigen Jahren nicht bedroht sein wird, wenn wir gerade mal nicht online sein sollten. Aber Benedict Evens bringt es in seinem hervorragenden Text "smart homes and vegetable peelers" gekonnt auf den Punkt. Er führt das Beispiel der Grosseltern auf, die vor 60 Jahren noch aufzählen konnten, in welchen Geräten, die sie besassen, sich ein Elektromotor befand. Heute kann einem kaum jemand mehr sagen, wie viele kleine Elektromotoren alleine im eigenen Auto verbaut sind. Dafür weiss meine Generation wie viele der Geräte zuhause eine WLAN-Verbindung aufbauen können. Aber schon in 30 Jahren wird diese Frage für unsere Kinder nicht mehr interessant sein. Weil einfach alles „smart“ sein wird. Teilweise wird sich unser Leben dadurch vereinfachen. Gleichzeitig steigt aber auch unsere Netz-Abhängig- und Angreifbarkeit.
Damit wir als Gesellschaft damit umgehen können, braucht es in der Schule von heute digitalisierte Unterrichtsformen. Schliesslich sollen unsere Kinder „smart“ werden. Diesen Wunsch äusserten wir schon in unserem Beitrag Switzerland goes digital. Denn es hilft nichts, wenn man von der Wirtschaft im globalen Wettbewerb erwartet, dass digitalisiert wird, aber die Ausbildungsstätten nur ganz zögerlich mitmachen und kaum Zukunftsskills vermitteln. Hier besteht eine grosse Diskrepanz, die es zu schliessen gilt, wie es auch der Artikel von Stephan Grabmeier zeigt.
Die Roboterarbeit ist im Vormarsch
Bleibt also noch der Blick auf die Arbeit. In diesem Bereich wird sich in naher und mittlerer Zukunft viel verändern. Hier werden Routineaufgaben, die durch intelligente Systeme erledigt werden können, nicht mehr von Menschen ausgeführt werden müssen. Vergleichen Sie dazu auch auch unseren Blog über die Robotic Process Automation – RPA. Auch wenn es der St. Galler Kantonalbank kürzlich gelungen ist mittels Roboter 5 Stellen einzusparen, so ist es falsch zu glauben, dass es künftig nur noch für wenige Menschen Arbeit geben wird. Jede technische und wirtschaftliche Revolution hat bisher nicht zu weniger Arbeit geführt, sondern die Produktivität gesteigert und neue Berufe hervorgebracht. So wird es auch mit der digitalen Transformation sein. Die Robotik zum Beispiel wird künftig mehr denn je entscheidend dafür sorgen, dass Menschen in der Arbeit physisch und psychisch entlastet werden. So zum Beispiel in der Krankenpflege, wo die emotionale Robotik Arbeitnehmer erheblich unterstützen, aber sie sicher nie ganz ersetzen kann.
Nicht nur für Unternehmen, auch für uns Individuen gilt, dass wir uns wach und mit Interesse in dieser doch eher jungen Welt bewegen sollten. Unser Denken muss agil und flexibel sein und was den Arbeitsmarkt betrifft, sollten wir uns bewusst sein, dass wir keine Verbindung für immer antreten. Wir werden nie aufhören können zu lernen um mit der Zeit zu gehen. Das wusste schon Goethe:
„Zwischen heut und morgen
Liegt eine lange Frist;
Lerne schnell besorgen
Da du noch munter bist.“
Dieser Blog wurde von Matthias Hungerbühler gepostet
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