Gastbeitrag: Robotic Process Automation (RPA) - Softwareroboter heuern bei Finanzdienstleistern an

Die Schweizer Bankenbranche steht unter massivem Druck. Der Niedrigzins drückt die Margen im Kredit- und Geldanlagegeschäft auf ein Minimum. Gleichzeitig machen Regulierungsvorschriften den Banken das Leben schwer. Und der intensive Wettbewerbsdruck verbietet Preiserhöhungen. Kaum verwunderlich also, dass Banken händeringend nach einem Hebel suchen, um ihre Kosten zu drücken. In der weiteren Industrialisierung sehen die Schweizer Banken den Schlüssel zum Erfolg. Roboter, die im Backoffice Seite an Seite mit den Menschen arbeiten, leisten bereits gute Dienste.

Die Digitalisierung verspricht Produktivitätssteigerungen. Der Innovationsdruck wird noch erhöht durch neue Player, die dem veränderten Kundenverhalten im Digital-Zeitalter scheinbar mühelos begegnen. Fintechs fordern Banken heraus. Sie erweisen sich häufig als wandlungsfähiger und schneller. Etablierte Finanzinstitute dagegen werden nicht selten von der eigenen, veralteten IT-Infrastruktur ausgebremst und durch eingefahrene Arbeitsabläufe schwerfällig. Viele Finanzdienstleister verlassen sich noch auf unflexible Papierformulare, halbautomatische und manuelle Abläufe. Prozessoptimierungsprojekte haben oft wenig Potenzial, da die IT-Anpassung zu kostenintensiv und zu langwierig ist.

Roboter gehen den Mitarbeitern zur Hand

Eine Chance, diesem Dilemma zu entkommen, bietet die Industrialisierung des Backoffice. Das Konzept dahinter trägt den Namen Robotic Process Automation (RPA). Richtig angelernt übernehmen Roboter die Backoffice-Arbeit. Ein Softwareroboter ist eine Anwendung, die menschliche Aktivitäten an Bildschirm und Tastatur nachbildet und auf diese Weise vollautomatisiert manuelle Tätigkeiten übernimmt. Er arbeitet komplett eigenständig nach vorgegebenen Regeln. Nur in festgelegten Ausnahmefällen wird ein Mitarbeiter angesprochen, der sich dann mit dem Arbeitsschritt befasst. In Zukunft werden lernende Komponenten (Künstliche Intelligenz) die Roboter noch schlauer machen.

Der grosse Vorteil dieser Lösung ist die Schnelligkeit, mit der sie herbeigeführt werden kann. Eine Umsetzung ist in wenigen Wochen möglich. Die Investitionen sind vergleichsweise gering und amortisieren sich nach kurzer Zeit. Softwareroboter bringen Effizienzzuwächse – und zwar ohne langwierig komplett neue IT-Lösungen zu implementieren, die in die Infrastruktur eingepasst werden müssen und die Integration einer Vielzahl von Schnittstellen erfordern.

Arbeitsfelder für Roboter

Je standardisierter die Prozesse und je schneller die Informationen zur Verfügung stehen, umso eher ist eine Automatisierung durch Roboter möglich. Beispiel Kontoeröffnung: Softwareroboter tragen die Daten in die Kunden- und Stammdatenbanken ein, bestellen die Giro- und Kreditkarte für den Kunden und richten regelbasiert Dispokredite ein. Der Effekt für die Kunden: Sie kommen so schneller als bislang zu ihrer neuen Bankverbindung oder einem Kredit. Der Effekt für die Banken: Die Maschinen entlasten die Bankmitarbeiter von lästigen Arbeiten wie dem Eintippen und Abgleichen von Daten und die Automatisierungen sorgen auch bei anderen Verwaltungsaufgaben für mehr Effizienz.

Ein anderes Beispiel für ein Betätigungsfeld für Roboter ist das Abarbeiten von Fehlerlisten. Bankmitarbeiter sind täglich gefordert, Anpassungen in ihren IT-Systemen nachträglich vorzunehmen. Die Aufforderungen dazu erhalten sie regelmässig über Listen, beispielsweise, wenn im Nachtlauf bestimmte Zahlungen nicht so durchgeführt wurden wie geplant. In der Praxis werden diese Listen häufig von Menschen ausgedruckt, vorsortiert, wieder gescannt und per E-Mail an einzelne Mitarbeiter zum Bearbeiten geschickt. Der Mitarbeiter, der die Liste erhält, erstellt eine Auftragsnummer, bearbeitet Vorgänge und führt den Freigabeprozess durch. Softwareroboter können einen Grossteil der Arbeit übernehmen – von der Erfassung über die  Verteilung bis zur Bearbeitung der Standardfälle.

Anteil der Personalkosten am Ertrag drücken

Die Automatisierung manueller Tätigkeiten bietet großes Potenzial Kosten zu sparen und die Produktivität zu steigern. Vernetzung und Rechenintelligenz sind heute so weit, dass die Softwareroboter zur echten Alternative werden. Berechnungen, bezogen auf das Listenbeispiel, zeigen, dass Produktivitätssteigerungen in Höhe des Faktors Zwei und mehr möglich sind. Im Regelfall kann ein Softwareroboter die Arbeit von drei bis fünf Mitarbeitern übernehmen. Zudem arbeitet er durchgehend ohne Pause. Es können also deutlich mehr Vorgänge in derselben Zeit erledigt werden. Berechnungen und Erfahrungen von PPI zufolge lassen sich Bearbeitungszeiten tatsächlich um mehr als 50 Prozent reduzieren, in Einzelfällen waren sogar 90 Prozent möglich.

Zudem machen Softwareroboter die manuellen Schnittstellen erheblich zuverlässiger und effizienter, da sie selbst bei ständiger Wiederholung und hoher Geschwindigkeit präzise arbeiten. Zugleich ist jeder Schritt, den ein Softwareroboter übernimmt, vollständig nachvollziehbar und dokumentiert. Ein Vorteil für die Compliance.

Roboter sind für die Menschen da

Bankmitarbeiter erhalten mit RPA einen Assistenten, um die eigene Produktivität zu verbessern. Arbeiten, für die ausgebildete Bankmitarbeiter massiv überqualifiziert sind, die aber erledigt werden müssen, können Softwareroboter übernehmen. Für die Menschen bleibt mehr Zeit, um sich auf individuelle Kundenbedürfnisse und die Beratung zu konzentrieren. Ziel ist, dass sich die Kollegen ganz strategischen Fragen, dem Entwickeln neuer Geschäftsideen, dem Kundenbeziehungsmanagement und schwierigen, individuellen Sachverhalten widmen können.

Der besondere Charme von RPA liegt in der vergleichsweise einfachen Umsetzbarkeit. Unternehmen, die RPA-Lösungen gerne einmal ausprobieren möchten, können pragmatisch starten und innerhalb weniger Wochen erste Erfahrungen sammeln. Die Kosten sind überschaubar – auch weil die vorhandene IT-Infrastruktur davon unberührt bleibt. RPA löst das Dilemma aus Geschwindigkeit, Qualität und Kosten.

Über unseren Gastautor:

Dirk Dose ist Managing Consultant und Experte für Prozessautomatisierung bei der Hamburger Unternehmensberatung PPI AG. Als Träger des Master Black Belt Six Sigma leitet er Prozessveränderungsprojekte in Unternehmen der Finanzbranche.





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