Gespräch zum Thema «Open Banking» mit August Benz, SBVg

Heute befassen wir uns in unserem Blog mit Verbandsarbeit und hatten in diesem Zusammenhang das Vergnügen, uns mit August Benz, stellvertretender CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung zum Thema «Open Banking», zu unterhalten. An dieser Stelle möchten wir uns auch gleich herzlich für das sehr offene und angenehme Gespräch bedanken.

Herr Benz, gemäss dem Profil auf der SBVg-Homepage sind Sie zuständig für «Europa, Digitalisierung, Sustainability und Wirtschaftspolitik». Was beschäftigt Sie aktuell am meisten? 

Alle vier Themen beschäftigen uns momentan stark. 
PPI Schweiz, August Benz, Digital, Schweiz, Open Banking

Beim Thema Europa arbeiten wir daran, den Marktzugang für Banken in die EU zu erleichtern.
Sustainability wiederum verfolgen wir seit längerem und sind überzeugt, dass sich der Schweizer Finanzplatz hier sehr gut positionieren kann. Bereits heute haben wir bei den professionell verwalteten Vermögen mit rund 20 % einen deutlich höheren Anteil an nachhaltigen Anlagen als der globale Durchschnitt. Dieser liegt bei rund 11 %. Wir orientieren uns hierbei an den ESG-Kriterien.

Im Bereich Wirtschaftspolitik beobachten und analysieren wir die makroökonomischen Entwicklungen im Finanzsektor, allem voran die anhaltende Tiefzinsphase.
Immer wichtiger wird nicht zuletzt das Thema Digitalisierung, auch für uns als Verband. Hier befassen wir uns mit Regulierungsfragen, die sich aus neuen Trends und digitalen Geschäftsmodellen für Banken ergeben. Dazu gehören beispielsweise die rechtliche Behandlung von digitalen Assets, Cloud-Banking oder auch Fragen zur Regulierung von Fintechs im Bereich Blockchain respektive DLT. Dazu haben wir gerade erst Ende August in Basel einen grösseren Event zusammen mit mehreren Partnern veranstaltet.

Dass in diesem Bereich aktuell viel geschieht zeigt auch die kürzliche Vergabe von je zwei Bank- und Effektenhändlerbewilligungen in der Schweiz durch die FINMA. 

Ein prominentes Thema der Digitalisierung in der Finanzindustrie ist ja «Open Banking», wo Finanzinstitute ihre Kundendaten, Services und Schnittstellen für Dritte sog. Third Party Provider (TPP) öffnen. Wie ist generell die Meinung der SBVg zu den aktuellen Initiativen in diesem Bereich?



Eine Klammerbemerkung vorweg: Grundsätzlich ist Open Banking in der Schweiz kein neues Phänomen. Viele Banken bieten im Firmenkundenbereich bereits seit Jahrzehnten Open Banking Lösungen an und die Servicepalette für KMU nimmt weiter zu. Die aktuelle Open Banking Debatte dreht sich vorab vor allem um Privatkunden. Entwicklungen in der Schweiz gibt es sowohl bei der Infrastruktur, wie beispielsweise der Connectivity Plattform der SIX, wie auch bei der zunehmenden Anzahl konkreter Anwendungen.

Ich bin überzeugt, dass Open Banking die Bankenbranche nachhaltig beeinflussen und verändern wird. In einer Welt mit zunehmender Fragmentierung der Wertschöpfungskette und der Bedienung des Kunden über eine Vielzahl unterschiedlicher Finanzdienstleister ­– also nicht nur Banken, sondern auch Fintechs, Neobanken und zunehmend auch branchenfremde Dienstleister – stellt sich nicht die Frage, ob sich Open Banking etablieren wird, sondern in welcher Form.

Wir sehen im Open Banking grosses Potential für den Finanzplatz Schweiz. Dabei ist es wichtig, proaktiv zu Rahmenbedingungen beizutragen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz stärken. Gleichzeitig wollen wir sicherstellen, dass die Marktintegrität weiterhin hoch bleibt.

Einige Fragestellungen müssen noch abschliessend beantwortet werden. Diese betreffen etwa den Datenschutz, Haftungsfragen und Zulassungskriterien beziehungsweise Zertifizierungen von Drittanbietern. Wir haben zu diesem Zweck eine Arbeitsgruppe einberufen, die sich mit genau diesen Fragen und den regulatorischen Implikationen auseinandersetzt.

In der EU soll Mitte nächsten Monat die PSD2 produktiv angewendet werden. Banken werden in dieser Regulation gezwungen, Ihre Zahlungsverkehrskonten für Dritte für Abfragen und die Ausführung von Zahlungen zu öffnen. Warum übernimmt die Schweiz nicht einfach die technischen Standards der Berlin Group?

Man sollte die Frage ein wenig differenzierter betrachten und hier zwei Unterscheidungen machen: Das eine ist, wie Sie richtig sagen, eine Regulierung, welche die Banken zwingt, ihre Schnittstellen zu öffnen – PSD2. Das andere wiederum umschreibt die Bestrebungen eines Gremiums, die Schnittstellen technisch zu standardisieren – die Berlin Group.

Banken sollen selbst entscheiden können, für welche Drittanbieter Schnittstellen geöffnet werden. Nicht zuletzt auch aus Sicherheitsüberlegungen. Die zwangsweise Öffnung von Schnittstellen – wie dies die EU-Richtlinie PSD2 erzwingt – ist in der Schweiz auf jeden Fall unnötig. Wie die EU im Moment erfahren muss, verhilft eine erzwungene Öffnung dem Open Banking nicht zum Durchbruch. Sie zementiert eher bestehende Grenzen zwischen Banken und Drittanbietern. In der Schweiz besteht aus meiner Sicht kein Handlungsbedarf. Der Wettbewerb funktioniert und die Banken bieten schon heute zahlreiche innovative Produkte an. Ein Beispiel sind die bereits erwähnten Schnittstellen zu Buchhaltungssoftwares oder multibankingfähige Lösungen.

Entscheidend für ein funktionierendes offenes Ökosystem sind vielmehr branchenweit standardisierte Schnittstellen. Die Übernahme von international etablierten Standards macht dabei sicher Sinn, solange sie zu Kompatibilität und höherer Effizienz führen. Mit technischen Belangen befassen wir uns als Branchenverband aber nicht direkt und ich kann nicht im Detail einschätzen, was die technischen Vor- und Nachteile der jeweiligen Lösungen sind. Hierfür sind wir im engen Austausch mit Organisationen und Verbänden, die Standards für solche Schnittstellen entwickeln oder eben allenfalls übernehmen. Dazu zählen etwa die SIX oder Swiss Fintech Innovations.

Betrachtet man den relativen kleinen Open Banking Markt in der Schweiz, so verwundert es, dass aktuell verschiedene Standard-Initiativen lanciert wurden: «Swiss Corporate API» von SIX, «Swiss Open Finance API» von Swiss Fintech Innvations und «OpenBankingProject.ch» mit u.a. dem Business Engineering Institute St. Gallen und dem Kernbanken-Systemhersteller Finnova. Ist das nicht etwas viel? Sollten hiesige TPPs nicht auf einen einzigen Schweizer Standard setzen können?


Die Tatsache, dass verschiedene Initiativen eine Lösung durchsetzen möchten, verdeutlicht, dass der Wettbewerb spielt. Wie die Erfahrung aus anderen Standardisierungen zeigt, ist es gut möglich, dass sich aus Effizienzgründen am Schluss nur eine einzelne Lösung etablieren wird. So hat sich zum Beispiel der USB-Anschluss bei Elektrogeräten durchgesetzt. Andere Lösungen konnten sich nicht behaupten.

Die erwähnten Initiativen verfolgen teils unterschiedliche Ziele und Ansätze. Letztlich wird aber der Wettbewerb und die Kunden entscheiden, welche Standards sich durchsetzen werden. Zu beachten gilt auch, dass die Schweizer Banken neben inländischen Anbietern grundsätzlich auch auf internationale Lösungen setzen können. Es ist daher durchaus möglich, dass Banken selbst oder weitere Dritte aus dem In- oder Ausland Angebote auf den Markt bringen. 

Welche Rolle kann die SBVg bei der Umsetzung eines nationalen Standards einnehmen? Will sie das überhaupt oder soll hier der Markt spielen? Wäre hier für die Durchsetzung eines einheitlichen Standards nicht doch der Regulator gefordert?


Wir bekennen uns zum Wettbewerb. Ich bin der Ansicht, dass regulatorisch vorgeschriebene technische Standards wohl nicht zielführend sind. Zudem: der Regulator wird die Kundenbedürfnisse kaum besser kennen, als die Marktteilnehmer. 

Ein brisantes Thema bei Schweizer Banken ist die Kosten- und Ertragsseite von Open Banking. Die Banken in der EU sind ja zumindest für Zahlungsverkehrskonten verpflichtet, die Schnittstellen kostenlos anzubieten. In der Schweiz gibt es verschiedene Meinungen dazu. Wie sieht die SBVg das Thema? Alles kostenlos? Falls Nein, welche Akteure sollten hauptsächlich für die Kosten der Entwicklung und Nutzung von APIs aufkommen?

Zu geschäftsstrategischen Fragestellungen von Einzelinstituten kann ich keine Stellung beziehen.

Es liegt aber in der Natur der Sache, dass sich Banken den technologischen Trends und Entwicklungen nicht entziehen können und wollen. Aus regulatorischen Gründen benötigen Fintechs aber auch in einem zukünftigen Open Banking Ökosystem die Banken, namentlich für ihre Infrastruktur, das Kundenvertrauen, die Sicherheit und nicht zuletzt den Zugang zu Finanzmärkten.

Eine Banklizenz zu erlangen und alle damit verbundenen Vorschriften einzuhalten ist jedoch sehr aufwendig. Banken sind daher aufgefordert, ihre Geschäftsmodelle so anzupassen, dass sie ihre Dienstleistungen einerseits effizient anbieten können und andererseits ihre Wertschöpfung nachhaltig vergütet wird. Grundsätzlich ist es daher durchaus denkbar, dass sich die Ertragsmodelle der Banken stark verändern werden. 

Einige Experten und viele Beratungsunternehmen sagen den Banken an der Kundenschnittstelle eine schwierige Zeit voraus, bis hin zum Verlust derselben. Werden Schweizer Retailkunden in Zukunft noch Lösungen von Banken einsetzen oder mehrheitlich auf Angebote von Dritten wechseln?

Aus heutiger Sicht lässt sich dazu nur spekulieren und das ist nicht unsere Rolle als Branchenverband. Im Moment ist es in der Schweiz so, dass zwischen Banken und Fintechs meist eine symbiotische Rollenteilung besteht: Banken und Fintechs kooperieren eng und gemäss ihren jeweiligen Stärken.

Die Kundenschnittstelle ist dabei ein zentraler Faktor, das ist so. Möglicherweise wird sich für die Banken der Wettbewerb um die Kundenschnittstelle intensivieren. Wer sich da durchsetzt, ist aber aus heutiger Sicht nicht eindeutig zu beantworten. Neben technischen Angeboten wie E-Banking, Apps und Kreditkarten zählt hierzu vor allem auch die «menschliche» Schnittstelle, also eine kundenspezifische, persönliche Beratung. Nicht jede Kundin oder jeder Kunde wünscht eine rein digitale Dienstleistung. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Kunden durchaus bereit sind, für eine persönliche Beratung von kompetenten, zertifizierten Kundenberaterinnen und -beratern einen Preis zu bezahlen. Es wird also auch in Zukunft auf den richtigen Mix an digitalen und «menschlichen» Kanälen ankommen.

Im Gegensatz zu heute, wo die Banken meist die gesamte Wertschöpfungskette abdecken, könnten Teile davon künftig von Fintechs angeboten werden. Gleichzeitig können Banken und vor allem deren Kunden auch direkt profitieren. Anstelle Apps und E-Banking-Lösungen mit viel Aufwand selber zu erstellen, können Banken dies weitgehend dem Markt überlassen. Sie können sozusagen aus einer Menükarte die jeweils beste Lösung für sich und ihre Kunden aussuchen. Ausserdem können Fintechs bei der Kundenakquisition behilflich sein, indem sie neue Zielgruppen ansprechen.

Die sich entwickelnden Ökosysteme sind dabei viel breiter zu sehen, als nur zwischen Banken und Fintechs. Funktionierende digitale Ökosysteme beinhalten eine Vielzahl von Anbietern diversester Natur. Denken Sie nur schon an die Immobilienplattformen oder die Tourismusbranche, welche sich breit entwickelt haben. In Zukunft ist es also durchaus denkbar, dass Banken nicht mehr alles selber machen, sondern sich auf einzelne, ihren Kernkompetenzen entsprechenden Bereiche fokussieren. 

Eine Frage zum Schluss: Können sie den Schweizer Banken Empfehlungen für den zukünftigen Umgang mit Open Banking geben? Was sind mögliche Szenarien? Entwicklung von eigenen Plattformen, Kooperation mit einer der drei Schweizer Initiativen oder gar ein Angebot gemäss den technischen Standards der Berlin Group (PSD2)?

Unsere Banken wissen selber am besten, wie sie sich aufstellen wollen. Es liegt nicht an uns, ihnen Ratschläge zur Geschäftsstrategie zu erteilen.

Wir sehen im Open Banking grosses Potential für den Finanzplatz Schweiz. Dabei ist es für uns wichtig, proaktiv zu Rahmenbedingungen beizutragen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz stärken. Gleichzeitig wollen wir sicherstellen, dass die Marktintegrität weiterhin hoch bleibt.

Wir verfolgen das Thema daher sehr genau und versuchen, die regulatorischen Hürden zu erkennen und wo immer möglich zu beseitigen. Wir sind auf jeden Fall gespannt, wo die Reise hinführt.



Das Interview geführt hat unserem CEO Carsten Miehling.